Demonstration

"Corona-Leugner": ÖVP fordert Rücktritt von FPÖ-Mandataren

"Spaziergang" in der Wiener Innenstadt am Sonntag.
"Spaziergang" in der Wiener Innenstadt am Sonntag.APA/GEORG HOCHMUTH
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Die ÖVP fordert drei Freiheitliche, die gegen die türkis-grüne Coronapolitik demonstriert haben, zum Rücktritt auf und übt harsche Kritik an Klubchef Kickl. Die FPÖ kontert.

Mehr als ein Dutzend Demonstrationen waren für den Sonntag angemeldet worden - und wurden von der Polizei untersagt. Es folgte die Anmeldung einer FPÖ-Kundgebung - auch diese wurde verboten. „Spaziert“ wurde trotzdem: Rund 10.000 Personen zogen durch die Wiener Innenstadt, um mittels Parolen, Gesängen und Plakaten die Coronapolitik der Bundesregierung zu kritisieren. Zehn Personen wurden von der Polizei festgenommen, vier Polizisten verletzt, rund 800 Anzeigen wegen Verstößen gegen die Covid-19-Bestimmungen ausgesprochen. Und: Abseits des „gehenden“ Protests, war ein politischer Schlagabtausch zu beobachten.

Der Dreh- und Angelpunkt: FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Er hatte vorgehabt, bei der Großdemonstration gegen die türkis-grünen Corona-Maßnahmen eine Ansprache zu halten. Da diese untersagt wurde, rief er eine eigene Kundgebung ins Leben, zu der es aber ebenfalls nicht kam. So wich der Freiheitliche letztlich auf Facebook aus, wo er alle „Spaziergänger“ zur Besonnenheit aufrief. Die Polizei bezeichnete er als „Freund" der Demonstrierenden.

Nach Medienberichten von Ausschreitungen und Verhaftungen im Zuge der eigentlich abgesagten Demonstrationen, veröffentlichte Kickl sodann am Sonntag - gemeinsam mit Parteichef Norbert Hofer - eine Aussendung, in der er Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) „und Co.“ beschuldigte, „mit ihrer verantwortungslosen Bestemm-Haltung mögliche Eskalationen bei den Protesten gegen die Corona-Politik der Regierung mutwillig und aus rein parteipolitischen Gründen geradezu provoziert“ zu haben. „Das Innenministerium hat der sonst so besonnen agierenden Polizeiführung ‚befohlen‘, die für Sonntag angemeldete Großdemo, unsere Kundgebung und weitere Demonstrationen zu untersagen“, schrieb Kickl. „So wie Kurz, Nehammer und Co. handelt kein verantwortungsbewusster Politiker gegenüber der österreichischen Bevölkerung.“ 

Landespolizeidirektion und ÖVP kontern Kickl

Die Wiener Landespolizeidirektion wies den Vorwurf Kickls umgehend zurück. Man habe die Großversammlungen „aus rein sachlichen Gründen" abgesagt, wurde mitgeteilt. Konkret: Es bestehe die erhöhte Gefahr der Übertragung der neuen Virusvarianten bei Massendemonstrationen, da dort oftmals die Abstands- und Maskenpflicht nicht eingehalten werde. Parteipolitische Überlegungen hätten indes keine Rolle gespielt.

Noch deutlicher wurde ÖVP-Klubobmann August Wöginger. In einer Aussendung ortete er einen „neuen Tiefpunkt" in Kickls „Verbrüderung mit Rechtsextremen und Corona-Leugnern". Der FPÖ-Klubchef habe sich „öffentlich hinter den bekannten Neonazi Gottfried Küssel und den Chef der Identitären Bewegung, Martin Sellner" gestellt, die „rechte Szene mobilisiert, Ausschreitungen in Kauf genommen" und damit bewusst Polizisten in Gefahr gebracht, meinte er. Zurück wies Wöginger freilich auch den Vorwurf, Nehammer habe eine Weisung auf Absage der Demonstration getätigt. Wie die Landespolizeidirektion pochte auch der ÖVP-Klubchef darauf, dass diese Entscheidung die Sicherheitsbehörden gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden getroffen hätten.

Die „Kickl-FPÖ" stelle sich „offenbar bewusst hinter Neonazis", meinte auch Markus Wölbitsch, Klubobmann der ÖVP Wien. Innenminister Nehammer trat am Sonntag erst gegen 21:30 Uhr an die Öffentlichkeit. Dabei lobte er nicht nur den umsichtigen Einsatz der Polizei, sondern zeigte sich auch „zutiefst betroffen, dass ein ehemaliger Innenminister (Kickl, Anm.) Öl ins Feuer“ gegossen habe. Der Einsatz sei „alles andere als ein Spaziergang“  gewesen, verwies Nehammer auf die verletzten Polizeibeamten.

Gegenseitige Rücktrittsaufforderungen

Karl Mahrer, Sicherheitssprecher der ÖVP, nannte Kickl am Sonntag einen „Brandstifter und Anführer" der „verantwortungslosen" Demonstranten. Am Montag nahm er drei weitere Freiheitliche ins Visier: Christan Hafenecker, Dagmar Belakowitsch und Petra Steger seien ein „Corona-Leugner-Trio“, meinte Mahrer. Denn: Sie hätten ohne Einhaltung des Mindestabstands sowie ohne Mund-Nasen-Schutz für ein gemeinsames Gruppenfoto posiert.

Mit ihrer Anwesenheit und den im Vorfeld initiierten Aufrufen zur Teilnahme an den „Spaziergängen" seien die FPÖ-Abgeordneten verantwortlich für die Ausschreitungen gegenüber Einsatzkräften sowie Passanten, argumentierte er. Sie seien zudem bewusst zu „Gehilfen" der rechtsextremen Szene geworden: „Ihr Rücktritt ist die einzig logische Konsequenz", befand Mahrer.

Die FPÖ sah am Montag hingegen die Regierung, von ihr „Kurz-Truppe" genannt, als rücktrittsreif an. Die FPÖ hätte gerne die Verantwortung übernommen und im geordneten und sicheren Rahmen dem Protest eine Plattform geboten, meinte Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Und bedauerte, dass die „ÖVP-Truppe“ nicht einmal mehr davor zurückschrecke, erstmalig in der Zweiten Republik eine politische Kundgebung einer Parlamentspartei zu untersagen. Damir werde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Füßen getreten, kritisierte Amesbauer.

Übrigens: Kickl selbst war am Sonntag nicht beim Spaziergang durch die Wiener Innenstadt zu sehen, allerdings streamte die FPÖ den Aufmarsch via Facebook.

(Red./APA)

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