Asyl

Humanitäres Bleiberecht zuletzt häufiger vergeben

2017 wurden 1580 Aufenthaltstitel vergeben, 2019 waren es knapp 2000. Im Vorjahr dürfte 2500 Mal humanitäres Bleiberecht erteilt worden sein.

Die Abschiebung georgischer und armenischer Mädchen hat die Diskussion um das humanitäre Bleiberecht wieder in Gang gesetzt. Von totem Recht war da die Rede, die Länder sollten wieder mitreden können, kam als Forderung. Freilich zeigen die Zahlen, dass die Vergabe der humanitären Titel zuletzt sogar häufiger war als in der Vergangenheit.

Blickt man auf die Zahlen 2020 bis inklusive November (aktuellere Zahlen liegen nicht vor), wurde knapp 2200mal ein entsprechender Aufenthaltstitel vergeben, im Gesamtjahr dürften es rund 2.500 sein. Einige Vergleichsdaten - 2017, also noch vor Türkis-Blau waren es 1580, 2019, als im ersten Halbjahr noch Herbert Kickl (FPÖ) Innenminister war, gab es knapp 2000 Mal humanitäres Bleiberecht.

Allerdings wird nicht unterschieden, wie viele der positiven Anträge aus dem regulären Verfahren stammen und wie viele auf einen eigenen Antrag auf humanitären Aufenthalt zurückgehen, der nach dem Scheitern in den Instanzen gestellt wurde. Damit bleibt unklar, ob dieser Antrag de facto totes Recht ist. Das Innenministerium verwies auf Anfrage darauf, dass aktuell eine entsprechende parlamentarische Anfrage bearbeitet werde und noch keine Ergebnisse vorlägen.

Georgier gehören zu den Gruppen, die heuer relativ selten humanitäres Aufenthaltsrecht bekamen. 49 georgische Anträge wurden positiv beschieden, 362 negativ. Besser sah es für Armenier mit 70 positiven bei 159 negativen aus.

Wechselhafte Geschichte

Entsprechende Aufenthaltstitel haben in Österreich durchaus Tradition, aber eine wechselhafte Geschichte. Bis ins 21. Jahrhundert hinein handelte es sich um eine Art Gnadenrecht, wo der Innenminister mehr oder weniger frei entscheiden konnte.

2008 forderte der Verfassungsgerichtshof dann ein Antragsrecht ein. Die Diskussion um die legistische Umsetzung gestaltete sich schwierig. So wehrten sich die Länder gegen eine Letztentscheidungskompetenz, auch die damaligen Grünen wollten die Aufgabe nicht bei den Ländern sehen. Letztlich wurde ihnen ein starkes Mitspracherecht bei Altfällen eingeräumt. Die Letztentscheidung blieb beim Bund, wobei der in der Regel die Empfehlung der Länder durchwinkte. Dazu eingesetzt wurde ein Beirat im Innenministerium, der eine Empfehlung abgab. Wenn jetzt nach einer Härtefallkommission gerufen wird, ist wohl ein ähnliches Gremium gemeint.

Für Fälle ab dem Mai 2004 wurde die Regelung eingeführt, dass der humanitäre Aspekt im Verfahren mit geprüft werden muss. Bis 2013 wurde das humanitäre Aufenthaltsrecht in mittelbarer Bundesverwaltung von den Landesbehörden vollzogen. Seit 2014 sind nur noch Bundesbehörden zuständig, nämlich Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und Bundesverwaltungsgericht. Zuletzt war 2018 im Zusammenhang mit abgeschobenen Lehrlingen die Diskussion aufgetaucht, ob Länder und Gemeinden wieder mitreden sollten. Eine einheitliche Linie unter den Landeshauptleuten fand sich dabei aber nicht. Kickl lehnte deren Einbeziehung als zuständiger Minister auch ab.

Weiter besteht aber die Möglichkeit, einen eigenen Antrag zu stellen, obwohl schon die Instanzen negativ geprüft haben. Der kommt dann zum Zug, wenn die Asylanträge negativ beschieden wurden. Geprüft werden muss, ob sich seither etwas an den Umständen geändert hat, sprich, ob seit dem Entscheid weitere Integrationsschritte gesetzt wurden.

Was sind nun die Voraussetzungen, um einen humanitären Aufenthaltstitel zu bekommen. Gemäß Judikatur sollte die betroffene Person zumindest fünf Jahre legal im Land sein. Dazu sollte sie einen besonders hohen Integrationsgrad aufweisen. Gegen einen entsprechenden Titel sprechen z.B. strafrechtliche Delikte, aber auch wenn die Person in seinem Herkunftsland gut verankert ist oder der bisherige Aufenthalt durch von Anfang an aussichtslose Asylanträge erwirkt wurde.

(APA)

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