Porträt

Wer ist Kirill Dmitriev, alias Mr. Sputnik V?

Wer steckt hinter dem Sputnik-Impfstoff? (c) imago images/ITAR-TASS
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Der russische Impfstoff Sputnik V wird mit jedem Tag salonfähiger - auch in Österreich. Das verdankt er vor allem Kirill Dmitriev. Der 45-jährige Finanzmanager hatte einen guten Riecher. Und noch einen anderen Trumpf.

Die Erzählung darüber, wie Kirill Dmitriev auf den Impfstoff Sputnik V kam, hat fast etwas Poetisches. Und ist wohl doch prosaischer, als sie klingt. Seine Frau, Natalja Popowa, die russischen Medien zufolge schon lang mit Alexandr Ginzburg bekannt war, der als Chef des Gamaleja-Forschungsinstituts die Entwicklung des Covid-Impfstoffs leitete, soll diesen Prozess persönlich verfolgt haben. Am Ende war sie sogar eine der ersten, die sich mit ihm impfen ließen. Und sie soll auch ihren Mann, Dmitriev, davon begeistert haben, als Chef des milliardenschweren „Russischen Fonds für Direktinvestitionen“ (RFPI) die wirtschaftlichen Belange und die Vermarktung des Impfstoffs zu übernehmen.

Was genau zu Hause bei den Dmitrievs geredet wurde, ist nicht bekannt. Umso bekannter ist dafür, und hier wird's prosaisch, dass Frau Popowa mit Katerina Tichonowa studiert hat.

Kremlchef Wladimir Putin mit Kirill Dmitriev.
Kremlchef Wladimir Putin mit Kirill Dmitriev.Getty/Alexei Nikolsky/TASS

Die Familie

Als Tichonowas Stellvertreterin leitet sie auch einen mit Staatsgeld überhäuften Universitätsfonds. Tichonowa aber ist die Tochter von Kreml-Chef Wladimir Putin. Die Jungfamilien haben auch diverse Urlaube gemeinsam verbracht.

Der 45-jährige Dmitriev war jedenfalls ganz offensichtlich begeistert vom Vakzin. Schließlich gab er ihm höchstselbst die Bezeichnung Sputnik V, um so an den ersten Satelliten zu erinnern, den die Sowjets 1957 vor den USA gestartet hatten.

Heute, einige Monate später, weiß man, dass Dmitriev und sein RFPI auf das richtige Pferd gesetzt haben, indem sie den Vektorimpfstoff Sputnik V anderen russischen Covid-Vakzinen vorgezogen haben. Inzwischen nämlich steht auch fest: Nachdem der Impfstoff im Westen anfänglich belächelt worden ist, wird er nun mit jedem Tag salonfähiger.

Die vor einer Woche in der Fachzeitschrift „The Lancet“ publizierte vorläufige Analyse, derzufolge nach der zweiten Impfdosis eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent erreicht wird, brachte den Wendepunkt. Schon wird über eine Produktion in Deutschland diskutiert. Und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz brachte dieser Tage in einem Interview für die „Welt am Sonntag“ sogar eine mögliche Produktion in Österreich ins Spiel.

Der Mut

Dass Russland, das in anderen Bereichen ständig mit dem Westen kollidiert, gerade in der Medizin ebendort - und nicht nur in diversen Schwellenländern - einen raren Erfolg landet, wird klar Dmitriev zugeschrieben. Er war es, der sich in die Vermarktung geworfen und unbeirrt Bedenken gegen das Vakzin ausgeräumt hat. „Dmitriev war auch vorher einflussreich“, sagt Alexej Makarkin, Vizechef des Moskauer Zentrums für politische Technologien, im Gespräch mit der „Presse“: „Jetzt aber gilt er als Mr. Sputnik V.“ Natürlich habe ihm dabei geholfen, dass er einen direkten Draht zu Putin - oder, wie man in Russland sagt, „einen Zugang zu seinem Körper“ – habe.

„Aber entscheidend ist auch gewesen, dass Dmitriev gemeinsam mit dem Wissenschaftler Ginzburg den im Land unüblichen Mut gehabt hat, eine beschleunigte Impfstoffentwicklung zu wagen.“ Die traditionellen russischen und teils noch sowjetgeschulten Wissenschafter hätten das nicht gemacht.

Zwei Mentalitäten

Wird Dmitriev der breiteren Öffentlichkeit erst jetzt durch Sputnik V bekannt, so ist er es in Wirtschaftskreisen schon lang. Im Jahr 2010 wurde der gebürtige Ukrainer, der im Alter von 14 Jahren zum Leben bei Freunden der Familie nach Kalifornien geschickt worden war, vom World Economic Forum in die Liste der aussichtsreichen Young Global Leader aufgenommen. In den USA hatte er zuvor in Stanford studiert und in Harvard seinen MBA gemacht, ehe er bei Goldman Sachs als Investmentbanker, bei McKinsey als Berater und später für einen ukrainischen Top-Oligarchen als Manager arbeitete.

Zurück in Russland, wurde Dmitriev 2011 von Putin mit der Leitung des zehn Milliarden Dollar schweren RFPI betraut, der aus dem staatlichen Budget genährt wird und ausländische Co-Investoren in russische Projekte anziehen soll. 90 Prozent der Direktinvestitionen in Russland kommen auf den RFPI und seine ausländischen Partner, die vor allem aus dem Nahen Osten und Asien stammen. Europa spielt dabei aufgrund der Zerwürfnisse nach der Krim-Annexion 2014 keine große Rolle.

Dennoch sei Dmitriev auch Richtung Westen für Russland wichtig, da er – abgesehen von seinem fließenden Englisch – die westliche Mentalität verstehe, erklärt ein langjähriger Geschäftspartner Dmitrievs im Gespräch mit der „Presse“. Politologe Makarkin formuliert es so: „Dmitriev kann mit beiden Seiten und genießt zudem das Vertrauen Putins.“

Die Schattendiplomatie

Nicht zufällig war es Dmitriev, der 2017 einen inoffiziellen Gesprächskanal zum engeren Kreis um US-Präsident Donald Trump aufzubauen versuchte, zumal US-Handelsminister Wilbur Ross in den 1990er-Jahren als Geschäftsmann mit einem russischen Private Equity Fonds zu tun hatte, in dessen Management Dmitriev gesessen war. Aus dem Gesprächskanal wurde nichts – er flog in den USA im Zuge der Ermittlungen wegen mutmaßlicher russischer Einflussnahme auf die US-Wahlen - auf.

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