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Politik und Wissenschaft ringen um Isolation Tirols

Eine Plakatwand auf der Gerlosplatte in Tirol.
Eine Plakatwand auf der Gerlosplatte in Tirol. APA/EXPA/JFK
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Die Datenlage gebe eine Isolation des Landes "nicht her", sagt Tirols ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter. Die Regierung prüft derzeit mit Experten alle Optionen, heißt es. Infektiologe Weiss spricht sich dagegen aus, Virologin von Laer dafür.

Die Verbreitung der südafrikanischen Mutation des Coronavirus in Tirol könnte zu einer Abschottung einzelner Gebiete führen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass das ganze Land unter Quarantäne gestellt wird. Die Regierung prüft derzeit mit Experten alle Optionen, wie die Austria Presseagentur aus informierten Kreisen am Donnerstag erfahren hat. Schon am Mittwoch hatte man  im Gesundheitsministerium gegenüber der "Presse" Reisebeschränkungen nicht ausgeschlossen.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hat am Donnerstag einer möglichen Isolation eine Absage erteilt. "Das gibt die Datenlage nicht her", sagte er im Landtag. Man müsse "natürlich immer auf der Hut sein", gab er zu bedenken. Dennoch müsse darauf geachtet werden, "dass die Verhältnismäßigkeit gegeben ist".

Die südafrikanische Variante wurde bisher 75 Mal identifiziert - nur mehr fünf Betroffene galten hier noch als aktiv positiv. In den vergangenen drei Tagen habe man sich mit Experten beraten, wobei beschlossen wurde, dass die Kontaktnachverfolgung und das Testen intensiviert werden sollen, so Platter. Es werde täglich evaluiert, welche Auffälligkeiten es gibt. Die britische Mutation wurde in Tirol übrigens bisher bei 21 Personen festgestellt, wovon noch eine Person aktiv positiv sei.

Infektiologe Weiss: "Wir sind nicht auf einer Insel"

Der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss, hat sich ebenfalls klar gegen eine möglichen Isolation Tirols aufgrund der Ausbreitung der südafrikanischen Coronavirus-Variante ausgesprochen. "Wir sind nicht auf einer Insel, wo wir über so etwas reden könnten und wo es Sinn machen würde. Wir sind mitten auf einem Kontinent, auf dem diese Mutation auch schon in vielen Ländern aufgetaucht ist", sagte Weiss im APA-Interview.

Man werde nicht verhindern können, dass eine Mutation auch in andere Regionen gelange. Auch mit einer etwaigen Verlängerung des Lockdowns kann der renommierte Mediziner, der auch dem Beraterstab im Gesundheitsministerium angehört, nichts anfangen: "Das ist keine gute Idee". Die Maßnahmen bzw. Lockerungen, die die Bundesregierung diese Woche verkündet hatte, seien "sehr gut und sehr vernünftig" und sollten auch wie vorgesehen bundesweit gelten. Es gehe nun darum, die "Menschen wieder ins Boot zu holen". Derartige Maßnahmen würden hingegen die "Frustration" steigen lassen und dazu führen, dass viele Menschen sagen: "Wir kommen aus dem Schlamassel nie mehr heraus. 'Wir hauen den Hut drauf'".

"Bei allen Kalkulationen und Modellen ist der 'Faktor Mensch' die Variable, die man wahrscheinlich am wenigsten berücksichtigt hat, die aber gleichzeitig die größte Rolle spielt", sprach sich Weiss für einen weiteren Schritt in Richtung Normalität aus - unter Einhaltung der ohnehin verstärkten Hygienevorschriften: "Nur wenn die Menschen mittun, wird eine Modellrechnung funktionieren". Es gehe nun in erster Linie darum, das "Infektionsmanagement, die Infektionsaufspürung und die Infektionsidentifizierung noch effizienter zu machen".

Virologin Dorothee von Laer vertrat in Interviews die Ansicht, dass das Land Tirol angesichts des Auftretens neuer lokaler Corona-Varianten für ein Monat isoliert werden sollte.
Virologin Dorothee von Laer vertrat in Interviews die Ansicht, dass das Land Tirol angesichts des Auftretens neuer lokaler Corona-Varianten für ein Monat isoliert werden sollte. APA/HELMUT FOHRINGER

Zuvor hatte die Virologin Dorothee von Laer, ebenfalls von der Med-Uni Innsbruck, in Interviews am Mittwoch die Ansicht vertreten, dass das Land Tirol angesichts des Auftretens neuer lokaler Corona-Varianten für ein Monat isoliert gehöre. Die Beraterin der Bundesregierung übte scharfe Kritik am Land Tirol im Umgang mit den Corona-Mutanten und warnt vor einem "zweiten Ischgl".

Sonntag "Tag der Bilanz"

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bezeichnete am Donnerstag die Situation in Tirol als "ernst". Tirol habe noch am Mittwoch ein "sehr straffes Fünf-Punkte-Programm aufgestellt, mit dem die Situation genau untersucht werden soll". Er habe den Eindruck, dass Tirol "selbstverständlich" der Ernst der Lage klar sei.

Am Sonntag "ist Tag der Bilanz", dem möchte er nicht vorausgreifen und weder vorhersagen noch ausschließen, sagte er - bevor bekannt wurde, dass die Abschottung geprüft wird. Dann werde man aber darüber entscheiden, wie umfassend entweder "dieses Paket fortgesetzt werden muss" oder ob es weitere Maßnahmen brauche. "Diese paar Tage abzuwarten, ist notwendig", meinte der Gesundheitsminister.

(APA)

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