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U-Bahn-Bau mitten im Siebenten: Mikrochirurgie mit Beton und Stahl

Bauleiter Gerhard Ullmann mit der Schnecke, die bis zu 40 Meter tief in den Boden bohrt.
Bauleiter Gerhard Ullmann mit der Schnecke, die bis zu 40 Meter tief in den Boden bohrt.Mirjam Reither
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Zum Baustart der U2-Station Neubaugasse treibt ein Bohrer etwa 40 Meter tiefe Löcher in den Boden. Auf engstem Raum in dicht verbautem Gebiet.

Wien. Als Anrainer hat man es hier zurzeit nicht leicht. Es sei denn, man interessiert sich für Tiefbau und nimmt dafür den Lärm und die Einschränkungen durch den Bau der neuen U2-Station Neubaugasse in Kauf. Und das bis zu 26 Meter hohe Bohrgerät, dessen Arm knapp zwei Meter vor der Fensterfront arbeitet.

Bohrpfahlarbeiten – das ist der technische Begriff für das, was seit Dienstag an der Ecke Kirchengasse/Lindengasse passiert. Überall dort, wo Lifte und Aufgänge für die neuen Stationen entstehen, treibt die Maschine Bohrpfähle in den Boden. Dabei wird mit einer sogenannten Schnecke bis zu 40 Meter in die Tiefe gebohrt. In das Loch werden Bewehrungskörbe aus Stahl heruntergelassen und am Ende wird alles mit Beton aufgefüllt. Allein im gerade begonnenen Bauabschnitt werden es 140 Pfähle sein, die quasi zur Außenschale der Station werden. Ende Mai soll dann der Bauabschnitt Mariahilfer Straße/Kirchengasse starten.

Sehr enge Häuserfluchten

„Diese erste Phase ist besonders unangenehm für die Anrainer“, sagt Gerhard Ullmann, der Projektleiter für die Station Neubaugasse. Weil es laut ist, wenn der Bohrer in den Boden getrieben wird. Besonders viel Lärm macht es, wenn die Schnecke an der Oberfläche den feuchten, grauen Tegel mit ein paar schnellen Drehbewegungen abwirft.

Wenn die Außenschalen einmal stehen, wird der Boden ausgehoben – in Schichten von etwa drei Metern. Danach wird jeweils eine Decke eingezogen, bis in etwa 35 Metern Tiefe eine mehrere Meter dicke Bodenplatte entsteht. Am Bahnsteig selbst wird man in etwa 30 Metern Tiefe stehen. In der Lindengasse passiert all das auf einer Fläche von nur 80 mal 11 Metern.

Elf Meter breit – es ist nicht viel Platz hier mitten im städtischen Gebiet. Die Arbeiten finden in engen Häuserfluchten statt. Und dementsprechend steckt auch viel Logistik dahinter. Das beginnt schon bei der Planung, wann welcher Bohrpfahl an die Reihe kommt. Natürlich stehen da zunächst statische Notwendigkeiten im Vordergrund – dass etwa zwischen den Bohrpfählen immer eine Lücke freigelassen wird, damit der Beton aushärten kann, ehe man direkt daneben einen neuen setzen kann. Pilgerschrittverfahren wird das in Fachkreisen genannt.

Doch in einem zweiten Schritt ging es darum, die Eingänge zu Häusern und Geschäften zu koordinieren, damit man etwa immer von jeweils einer Seite überhaupt zu den Türen kommt. Aber nicht nur das, denn meist verläuft vor den Hauseingängen auch der Kanal. Für einen Pfahl muss der jeweils umgeleitet werden. „Es ist ein riesengroßes Puzzle“, sagt Ullmann, „extrem aufwendig zu koordinieren.“

120 Tonnen schwer und bis zu 26 Meter hoch ist das Bohrgerät.
120 Tonnen schwer und bis zu 26 Meter hoch ist das Bohrgerät.Mirjam Reither

Und auch ein eigenes Verkehrskonzept musste man erstellen – etwa für die An- und Abfahrt von Lkw. Und damit diese nicht mit laufendem Motor zwischen den Häusern stehen, wurden eigene Pufferzonen am Lerchenfelder Gürtel und auf der 2er-Linie eingerichtet. Von dort können sie je nach Bedarf abgerufen werden.

Je nach Baubereich dauern die Bohrpfahlarbeiten drei bis sechs Monate. Ein Pfahl braucht etwa 24 Stunden, zwischen Bohren und Füllen sollte nicht allzu viel Zeit vergehen. Wobei die Arbeitszeiten von Montag bis Freitag zwischen 6 und 22 Uhr liegen, am Samstag darf von 7 bis 15 Uhr gearbeitet werden. „Aber wenn es nicht notwendig ist“, sagt Ullmann, „wollen wir natürlich nicht bis 22 Uhr arbeiten.“ Weil die Arbeiter irgendwann auch heim wollen, Überstunden teuer sind – und auch die Anrainer nicht bis in die Nacht dem Lärm ausgesetzt sein wollen.

Bohren bis Sommer 2022

Immerhin, bis Sommer 2022 sollen hier alle Bohrpfahlarbeiten abgeschlossen sein. Danach wird unter der Erde weitergearbeitet, ehe die U2 ab 2028 ihren Betrieb aufnehmen soll. Das ist dann die Zeit, in der sich die Anrainer freuen werden, dass sie einen neuen Anschluss an den öffentlichen Verkehr haben. Und dass langsam endlich wieder Ruhe einkehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2021)

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