Koalitionskonflikt

Abschiebungen: Vizekanzler Kogler setzt Kindeswohlkommission ein

Werner Kogler setzt auf eine Kindeswohlkommission, um den Dauerkonflikt mit der ÖVP um Abschiebungen zu lösen.
Werner Kogler setzt auf eine Kindeswohlkommission, um den Dauerkonflikt mit der ÖVP um Abschiebungen zu lösen. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Im Streit mit der ÖVP um die Abschiebungen von Kindern setzt Vizekanzler Werner Kogler nun auf eine Expertenkommission. Die ehemalige OGH-Präsidentin und Neos-Abgeordnete Irmgard Griss übernimmt deren Vorsitz.

Der grüne Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) setzt im Konflikt mit dem Koalitionspartner ÖVP um die erfolgten Abschiebungen von Minderjährigen eine Kommission ein, die sich mit dem Stellenwert von Kinderrechten und Kindeswohl bei Entscheidungen zum Asyl- und Bleiberecht befassen soll. Die Leitung der Kindeswohlkommission wird die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes und Ex-Neos-Abgeordnete Irmgard Griss übernehmen.

Gemeinsam mit Experten wird sie Empfehlungen erarbeiten, wie Kindeswohl und Kinderrechte stärker berücksichtigt werden können. Ein erster Bericht soll Mitte des Jahres vorliegen und veröffentlicht werden. Die Kommission wird im grünen Justizministerium angesiedelt sein, das Kogler aktuell in Vertretung von Ministerin Alma Zadic, die in Babykarenz ist, geleitet wird.

Die Kindeswohlkommission wird die aktuelle Praxis in Asyl- und Bleiberechtsverfahren über den gesamten Instanzenzug sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen evaluieren und europäisch vergleichen. Dazu wird Vorsitzende Griss mit Experten aus dem Familien-, Europa-, Asyl- und Bleiberecht in der Kommission zusammenarbeiten. Darüber hinaus soll ergänzend auch die Expertise von Psychologen, Behördenvertretern, Jugendarbeitern, NGOs und Jugendvertretern eingeholt werden.

In einer Sondersitzung im Nationalrat am Donnerstag wurde um die Abschiebungen heftig debattiert. Neos und SPÖ brachten Anträge für ein humanitäres Bleiberecht und die Zurückholung der abgeschobenen Kinder ein. Die Grünen hatten vorab angekündigt, nicht gegen den Koalitionspartner ÖVP stimmen zu wollen.

"Handlungsbedarf schmerzlich vor Augen geführt"

"Bei Entscheidungen müssen wir immer zuerst an die Rechte und an das Wohl von Kindern denken. Sie müssen im Mittelpunkt stehen, es geht um ihren besonderen Schutz und um ihre Zukunft. Vergangene Woche sind gut integrierte Kinder in ein Land abgeschoben worden, das sie nicht kennen. Das hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt. Das Kindeswohl muss stärker in der Praxis verankert werden. Genau da wird Irmgard Griss ansetzen. Sie wird unabhängig gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Disziplinen analysieren, wie Kindeswohl in diese weitreichenden Entscheidungen einfließt und die politisch Verantwortlichen und die zuständigen Behörden mit Empfehlungen unterstützen", erklärte Kogler.

Griss sprach von einer "wichtigen und absolut notwendigen Aufgabe". "Es geht darum, Lösungen zu finden - denn die Menschen verstehen zu Recht nicht, warum Kinder, die in Österreich aufgewachsen sind, abgeschoben werden. Es ist nicht der Rechtsstaat, der zu unmenschlichem Handeln zwingt. Immer ist es das Parlament, das die Gesetze beschließt, und immer sind es Menschen, Amtsträger, die Gesetze auslegen und auf einen bestimmten Sachverhalt anwenden. Klar ist: Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt. Wir müssen alles tun, damit Kinder nicht die Leidtragenden sind", so Griss.

Ähnlich der Bioethikkommission wird die Kindeswohlkommission gemäß Paragraph acht des Bundesministeriengesetzes eingerichtet und berät die Justizministerin bzw. den Justizminister in Vertretung direkt. Um die Arbeit der Kommission zu unterstützen, wird im Justizministerium eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet.

(APA)

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