Leitartikel

Warum nicht wieder mal eine Große Koalition?

Eine Regierung aus ÖVP und SPÖ sei in Krisenzeiten richtig, hieß es.
Eine Regierung aus ÖVP und SPÖ sei in Krisenzeiten richtig, hieß es.Michaela Bruckberger
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Eine Regierung aus ÖVP und SPÖ sei in Krisenzeiten richtig, hieß es. Die hätten wir dann genau jetzt. Sehr realistisch ist es dennoch nicht. Warum? Die Antwort heißt Sebastian Kurz.

Also ging Thomas Drozda. Der ehemalige Kulturminister und Bundesgeschäftsführer beendet seine zweite, späte politische Karriere und wechselt in das Wohnbaufach. Josef Ostermayer ist es vorgehüpft. Mehr oder weniger sozialer Wohnbau ist die rote Raiffeisen. 2016 hat Drozda als Chef der Vereinigten Bühnen Wiens einen wahren Traumjob aufgegeben. Gemeinsam mit Pamela Rendi-Wagner folgte er den Schalmeientönen Christian Kerns und wechselte in die Politik, konkret in die Regierung. Ex post und objektiv betrachtet ein schwerer Fehler. Subjektiv wird er es als interessante Lebenserfahrung einordnen.

Drozda hat die Politik in den späten 1990er-Jahren schon einmal verlassen. Wir erinnern uns: Österreich wurde von einer Großen Koalition regiert. Der Unterschied zwischen Regierung, Sozialpartnerschaft und deren Vertretern in den Parlamentsklubs war kaum auszumachen. Intransparente Kuhhandel, faule Kompromisse und gegenseitige Blockaden statt notwendiger Veränderung waren an der Tagesordnung. Die FPÖ unter Jörg Haider kam nicht nur in den Umfragen den einstigen Großparteien immer näher. In seinem Abschiedsposting auf dem in die Jahre gekommenen Facebook beschwört Drozda aber noch einmal die alte Zeit der Großen Koalition, die für EU-Beitritt und Vergangenheitsbewältigung angetreten ist.

Gute alte Zeit?

Im Jahr zwei der Pandemie und einer gestresst wirkenden türkis-grünen Regierung klingt das alles plötzlich nach der guten alten Zeit. Noch sind die Anzahl und das Gewicht bekennender Großkoalitionäre in etwa so relevant wie jene der Monarchisten. Dennoch machte in Wiens politischen Zirkeln zuletzt das Gerücht einer Rückkehr der Großen Koalition die Runde. Je nachdem, wen man fragt, gibt es zwei mögliche Quellen für das unterhaltsame Ondit eines fliegenden Koalitionswechsels: In der SPÖ-Zentrale wäre das die automatische Verlängerung für Parteichefin Rendi-Wagner, die als dann starke Gesundheitsministerin intern unangreifbar wäre und mit ihrer Expertise in der Wählergunst zulegen könnte. Für die ÖVP reicht schon das bloße Gerücht, um die zuletzt wegen der jüngsten Abschiebungen und dem kaltschnäuzigen Koalitionsmanagement der Kanzlerpartei zornigen Grünen besser bändigen zu können.

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