Die Nutzung von Biomasse als Energiequelle ist nicht notwendigerweise CO2-neutral. Es gibt allerdings sehr wohl Fälle, in denen eine Ausweitung der Holzernte sinnvoll ist.
Die energetische Nutzung von Biomasse wird von vielen als CO2-neutral angesehen: Beim Verbrennen von Holz werde genauso viel CO2 frei, wie der Baum beim Wachsen aus der Luft aufgenommen und gebunden hat. Und wenn ein Baum nachwächst, nehme dieser wieder genauso viel CO2 auf usw.
Das ist grundsätzlich richtig. Es ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn auch bei der Bewirtschaftung von Wäldern fallen CO2-Emissionen an: Zum einen erfordern Durchforstung und Aufarbeitung der Biomasse Energie. Zum anderen muss bedacht werden, dass eine Fläche, auf der Biomasse produziert wird, anderweitig genutzt werden könnte – was die CO2-Bilanz verändert. Das Verheizen von Biomasse ist also nicht automatisch klimaneutral.
Besonders kompliziert wird die Sache, wenn sich die Landnutzung (etwa wenn Grünland aufgeforstet wird) oder die Bewirtschaftung verändert (wenn z. B. mehr Äste, Wipfel oder Baumstümpfe aus dem Wald entfernt und zur Energiegewinnung verbrannt werden). Am Joint Research Center der EU wurden nun viele solcher Nutzungsänderungen systematisch hinsichtlich ihrer Folgen für die CO2-Bilanz und die Biodiversität analysiert. Von 24 untersuchten Fällen sind demnach nur fünf völlig im „grünen Bereich“. Alle anderen verschlechtern entweder die CO2-Bilanz (9 Fälle) oder gefährden die Artenvielfalt (18 Fälle) – wobei acht Fälle Lose-lose-Situationen, also für beide Bereiche schädlich sind (https://ec.europa.eu/jrc/en/news-list, 26. 1.).
Das bedeutet zweierlei: Einerseits ist eine verstärkte Nutzung von Waldbiomasse in vielen Fällen nicht angebracht. Andererseits gibt es aber sehr wohl Win-win-Situationen, wie etwa das Anpflanzen naturnaher Wälder auf ehemaligen Feldern oder die Entnahme von Baumschnitt (in einem verträglichen Ausmaß) aus dem Wald.
Allerdings: Das ist Theorie. In der Praxis werden diese Überlegungen oft durch äußere Einflüsse über den Haufen geworfen. So entfielen z. B. bei den Österreichischen Bundesforsten in den vergangenen Jahren rund 80 Prozent der Holzernte auf Schadholz (durch Käfer, Windwurf und Schneebruch). Dieses muss rasch aus dem Wald entfernt werden, kurzfristig spielen dabei Klima- und Umweltschutzüberlegungen höchstens eine Nebenrolle. Doch längerfristig ermöglichen es gerade solche Kalamitäten, standortangepasste und widerstandsfähige Mischwälder zu etablieren, die sowohl CO2 speichern als auch die Artenvielfalt unterstützen. Und das geschieht in der Praxis auch immer häufiger.
Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2021)