Coronavirus

Isolation für Tirol? Land geht mit Paket in Offensive

Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP)
Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) APA/EXPA/JOHANN GRODER
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Die Gespräche zwischen Gesundheitsministerium und Land über etwaige Verschärfungen der Corona-Maßnahmen ziehen sich. Tirol wagt nun einen Vorstoß - unter anderem mit einem Appell an die Bürger.

Inmitten der kontroversen Verhandlungen zwischen Tirol und dem Bund um eine mögliche Isolation Tirols aufgrund der Südafrika-Variante ist das Land am Montag mit einem eigenen Maßnahmenpaket in die Offensive gegangen. Dieses soll unter anderem einen Aufruf an die Bevölkerung zur allgemeinen Mobilitätseinschränkung, die Vorschreibung von negativen Antigen-Tests für die Benützung von Seilbahnen sowie flächendeckende PCR-Tests in Bezirken mit hoher Sieben-Tages-Inzidenz beinhalten. Dem Bund dürfte das dem Vernehmen nach aber nicht weit genug gehen.

Man nehme dieses Paket nun alleine in Angriff, hieß es aus dem Büro von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Fügte aber hinzu, dass es hinsichtlich dieser Punkte Konsens mit dem Bund gebe. Darüber hinaus gab man sich gegenüber dem Bund bzw. Gesundheitsministerium weiter gesprächsbereit. Ob man sich aktuell aber noch im Verhandlungsstadium befinde, oder diese unterbrochen seien, wollte man indes nicht kommentieren.

Die "Kronen Zeitung" berichtete unterdessen in ihrer Online-Ausgabe, dass es derzeit Überlegungen, Reisen von und nach Tirol zu beschränken, gebe. Angedacht werde demnach etwa eine Reisebeschränkung bzw. eine Warnung von Reisen von und nach Tirol. Ausnahme könnte es nur aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen geben. Auf Nachfrage wurden solche Überlegungen in Regierungskreisen weder bestätigt noch dementiert.

Der Reihe nach: Noch am Freitag hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) auf die Frage, ob er nötigenfalls in Tirol hat durchgreifen werde, gemeint: Er wolle die Angelegenheit im Konsens mit den Beteiligten regeln. Hinter dieser Angelegenheit steckt die Frage, ob in bzw. über das Bundesland verschärfte Maßnahmen verhängt werden sollen, da Tirol von der sogenannte Südafrika-Mutante des Coronavirus besonders betroffen ist. Seitens des Landes heißt es, es gebe 165 bestätigte Fälle, davon acht "aktiv positiv". Aus dem Gesundheitsministerium ist zu hören, dass es noch zahlreiche weitere Verdachtsfälle gibt, die derzeit überprüft würden.

So kam es, dass über das Wochenende via Telefon und Videokonferenz intensive Gespräche geführt worden sind - die in der Nacht von Sonntag auf Montag in Verwirrung gipfelten: Hatte es doch aus Landhauskreisen zunächst geheißen, die Gespräche zwischen Anschober und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) seien ohne Ergebnisse vertagt worden. Aus dem Bund war aber kurz darauf zu vernehmen, dass noch an einer Einigung gefeilt werde. Montagfrüh stand schließlich fest: Die Gespräche zwischen Land und Ministerium wurden am Vormittag wieder aufgenommen. Ob sie heute auch ein Ende finden werden, ist, einer Sprecherin von Platter zufolge, unklar. "Die Positionen sind klar", so die Sprecherin. Nun gehe es darum, wer sich bewege und ob sich jemand bewege.

Zahlen vertuscht?

Am Sonntag meldete Tirol insgesamt 165 bestätigte Fälle der südafrikanischen Variante. Bei 230 weiteren Fällen liege ein Mutationsverdacht vor - davon seien 118 Fälle bereits teilsequenziert. Der Verdacht wird laut Land gemäß den von der AGES vorgegebenen Standards weiter abgeklärt. Bei den restlichen 112 Fällen ergebe sich der Verdacht aus PCR-Testungen.

Hinter vorgehaltener Hand vermutet man allerdings im Bund sogar, dass Tirol entsprechende Zahlen vertuscht. Skeptisch ist auch Virologe Andreas Bergthaler. Er sprach am Montag von mindestens 293 per Ganz- oder Teilgenomsequenzierung bestätigten Proben mit der Sars-CoV-2-Variante B.1.351 in Tiro. In anderen Bundesländern waren es nur neun. Die vom Land Tirol genannte Zahl von nur acht aktiven Mutationsfällen hält Bergthaler für unwahrscheinlich. Eine gesicherte Aussage sei aber schwierig. Auch AGES und Ministerium haben keinen genauen Überblick.

Die Stimmung zwischen Bund und Land dürfte inzwischen jedenfalls auf dem Tiefpunkt sein. Das von Platters Bundesparteichef Sebastian Kurz (ÖVP) geführte Kanzleramt hielt sich am Wochenende mit Stellungnahmen auffällig zurück und verwies auf den Gesundheitsminister als Hauptverhandler.

Offenbar trennt schon die Interpretation der Mutations-Zahlen die beiden Seiten Bund und Land. Tirol gibt an, die Situation im Griff zu haben und verweist immer wieder auf rückläufige Infiziertenzahlen sowie die momentane Eingrenzbarkeit der Mutationsfälle. So etwa Tirols Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser. Er betonte Sonntagabend in der ORF-Sendung "ZiB2": "Wir waren eigentlich die Ersten, die das Land abgesperrt haben, die mit Tests begonnen haben, die wirklich aktiv gegen diesen Virus gekämpft haben und deswegen haben wir es jetzt einfach satt, dass wir uns ständig ins Rampenlicht stellen und verurteilen lassen, dass Tirol nichts macht." Man fordere dieselbe Behandlung wie sie den anderen Bundesländern zukomme.

Auch die schwarzen Präsidenten von Arbeiter- und Landwirtschaftskammer sowie alle Tiroler ÖVP-Nationalratsabgeordneten sprachen sich in einer gemeinsamen Aussendung gegen Verschräfungen aus und forderten dieselben "bedachtsamen Öffnungsschritte" für Tirol analog zum Bund. Seitens Anschobers hatte es geheißen, dass bis Sonntagabend "Bilanz" gezogen und dann eine Entscheidung bekannt gegeben wird.

SPÖ und FPÖ üben Kritik: "Wo ist Krisenmanager Kurz?"

Kritik am Verhandlungskrimi kam unterdessen von der SPÖ: "Wo ist jetzt eigentlich der ach so harte Krisenmanager Sebastian Kurz?", fragte Gesundheitssprecher Philip Kucher per Aussendung. "Monatelang inszenierte er sich als Kapitän eines Schiffes, aber kaum gibt es parteiinternen Gegenwind, gibt er das Ruder außer Hand und versteckt sich unter Deck", meinte Kucher. Er warf dem Kanzler "tatenloses, beinahe schon ohnmächtig anmutendes Zusehen und aus der Verantwortung stehlen" vor.

Auch FPÖ-Obmann Norbert Hofer beanstandete, dass im Gesundheitsministerium seit Tagen ein "rasender Stillstand" zu beobachten sei, während von Tiroler-ÖVP-Granden "eine Warnung nach der anderen in Richtung Wien abgefeuert wird". Das offenbare "wie schwach die Rolle des Gesundheitsministers in der Krisenbewältigung ist", meinte Hofer.

(APA/hell)

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