Designlegende

Rebellen der Form: Die Gruppe "Memphis"

Vor 40 Jahren kippte "Memphis" die Konventionen und die Wahrnehmung des Designs. Heute zeigt eine Ausstellung im Vitra Design Museum, wie sich "Kitsch und Eleganz" noch immer ganz gut vertragen könnten.

Manchmal haben auch Gestalter einen gewissen Hang zum „über“. Wenn sie etwas „überzeichnen“. Oder auch einmal „übertreiben“: Indem sie den Dingen etwas zu viel an Emotionen applizieren. Schnell ist man dann dorthin abgerutscht, wo man als Designer keinesfalls hinwill: in den Kitsch. Außer es ist Anfang der 1980er-Jahre und man ist spätnachts im Winter mit Ettore Sottsas und einer Gruppe junger Designer zusammengesessen. Dann war man dabei höchstwahrscheinlich ein Teil von „Memphis“. Einer Gruppe, die sich auch im Kitsch durchaus wohlfühlte. Vor allem weil sie möglichst wenige Tabus auslassen wollte. Oder auch: „Gestalterische Gewissheiten erschüttern, ironisch brechen“, merkt Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums in Weil am Rhein, an. „Davor hatte man als Gestalter die Wahl: Design oder Kitsch.“ „Memphis“ entschied sich für beides. Man spielte einfach zu gern, auch mit Versatzstücken, die Gestalter früher wohl nie in die Hand genommen hätten. So geriet Kitsch zu so etwas wie „reflektiertem Kitsch“, wie Mateo Kries meint.

© VG Bild-Kunst, Bonn 2021 © Vitra Design Museum, Foto: Andreas Jung

Aufgepoppt und reingeknallt

© Foto: Jacques Schumacher © VG Bild-Kunst, Bonn 2021 für Entwürfe von Ettore Sottsass

Kitsch war nicht die einzige sonst leise Stimme, die die Designer plötzlich lauter drehten. Auch die Oberflächen der Dinge durften auf einmal mehr erzählen als sonst. Schon Muster und Materialien baute Memphis in der Gestaltung zu semantischen Ebenen aus. Und so einige Bedeutungen davon hat auch Mateo Kries als Kurator zu einer aktuellen Ausstellung in seinem Museum verwoben: „Memphis. 40 Jahre Kitsch und Eleganz“ heißt sie, zurzeit wird sie aufgebaut, um darauf zu warten, schließlich eröffnen zu dürfen – ursprünglich war der 6. Februar dafür vorgesehen.
Vielleicht hätte die Gruppe auch „Country Roads“ geheißen, wenn das Radio gerade ein anderes Lied gespielt hätte. So wurde es ein Bob-Dylan-Song, der der Gruppe den Namen gab, als sie sich spätnachts aus einem Grund formierte: Um sich mit einem Schlag zu befreien – von Design-Dogmen und anderen gestalterischen Zwängen. Vor allem jenen, mit denen der omnipräsente Funktionalismus die Welt der Gestaltung schon tief durchdrungen hatte. Das war 1981. Und das war ein recht solider Schöpfungsmythos für eine Designbewegung, die nicht länger währen sollte als bis 1987. Doch 40  Jahre später hallt sie immer noch nach. Laut genug war der „Knall“ jedenfalls, den Memphis fabriziert hatte. Durch Formen, Farben und die Präsentation ihrer ersten Kollektion in der Mailänder Galerie Arc74. Sie platzte ziemlich unerwartet in eine Designwelt, die es sich in ihren eigenen Konventionen schon recht gemütlich gemacht hatte. Da fielen die Kinnladen, da blitzten die Fotoapparate ihre Batterien leer. Zu bunt, zu schrill und anfangs unverstanden war das alles, was da aufgepoppt war. Aber retrospektiv betrachtet hatte es nur damals so passieren können, wie Mateo Kries meint. Denn es war die Zeit, als bereits unterschiedlichste künstlerische Genres ihre gängigen Prinzipien durchschüttelten. Von Punk über Pop-Art bis eben: Memphis.

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