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Rechnet Tirol falsch? Virologen gehen von mehr "Südafrika"-Fällen aus

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Das Land Tirol spricht von derzeit acht aktiven Fällen der Südafrika-Mutation. Für Virologen ist die Zahl "irreführend" und "unwahrscheinlich".

Wie viele Menschen in Tirol derzeit mit der "südafrikanischen" SARS-CoV-2-Variante (B.1.351) infiziert sind, ist derzeit nicht vollständig geklärt. Am Sonntag meldete Tirol insgesamt 165 bestätigte Fälle der südafrikanischen Variante. Bei 230 weiteren Fällen liege ein Mutationsverdacht vor - davon seien 118 Fälle bereits teilsequenziert. Am Montag sprach das Land allerdings nur von acht aktiv positiven Fällen der Südafrika-Mutation.

Diese geringe Zahl ist für den Virologen Andreas Bergthaler nicht nachvollziehbar, wie er am Montag sagte. Er geht davon aus, dass bisher mindestens bei 293 Fällen die "südafrikanische" SARS-CoV-2-Variante aufgetaucht ist. Ganz- oder Teilgenomsequenzierungen bei Proben würden dies bestätigen. In anderen Bundesländern waren es nur neun.

Ein gesichertes Gesamtbild gebe es aber nicht, sagte Bergthaler. Auch vom Ministerium gab es vorerst keine Zahlen.

Die bisher gesichert dem Mutationscluster B.1.351 zugeordneten Proben wurden entweder vom Team um die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck, dem Team um Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW und Luisa Cochella vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) oder vom Team von Bergthaler und Christoph Bock vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) sequenziert. Ein klares Bild zum Verlauf der Infektionen in Tirol lasse sich zur Zeit trotzdem nur schwer herauslesen.

Nur acht Fälle "unwahrscheinlich"

"Man muss aber sehr wohl vermuten, dass man weiterhin kontinuierlich positive Fälle der Südafrika-Variante findet. Das ist kein abgeschlossenes Infektionsgeschehen. Was aber nicht klar ist, ist der Trend - ob es also mehr oder weniger wird", sagte Bergthaler. Dass es nun aber - wie teils in Tirol argumentiert - nur acht gesichert nachgewiesene aktive Fälle mit der Variante gibt, sei dementsprechend unwahrscheinlich, weil man eben mit der Erbgut-Aufschlüsselung Tage bis Wochen hinterherhinke. Das liege in der Natur der Methodik, so Bergthaler, der seit einem Jahr das Erbgut des SARS-CoV-2-Virus analysiert.

Mittels gezielter PCR-Tests gebe es in Tirol momentan laut Bergthalers Informationsstand rund 200 Verdachtsfälle auf die Variante. Dass sich unter diesen Fällen viele bewahrheiten werden, liege auf der Hand. Laut Ulrich Elling könne man davon ausgehen, dass sich um die 90 Prozent der mittels PCR gefundenen Verdachtsfälle als tatsächliche B.1.351-Fälle erweisen werden.

"Mit dem Auto auf eine Klippe zufahren"

Die Argumentation mit den acht aktiven Fällen sei insofern an den Haaren herbeigezogen, da sie zwar auf den bisher bei ihm am Institut bestätigten 165 Nachweisen beruhen. Diese Proben wurden aber bereits vor einigen Tagen entnommen und sind erst dann nach Wien gelangt. Am IMBA und dem IMP wurde dann das Erbgut des Spike-Proteins analysiert, das einen sicheren Nachweis der Südafrika-Variante erlaubt. Nach Ablauf dieser Zeit sei natürlich der Großteil genau dieser Infektionsfälle nicht mehr aktiv.

"Wenn man mit dem Auto auf eine Klippe zufährt, nützt der Blick in den Rückspiegel nichts", sagte Elling. Die Argumentation mit den vermeintlich nur acht aktiven Fällen müsse man demnach als irreführend bezeichnen, sagte Elling. Die Methode der Sequenzierung sei nämlich dazu da, das Geschehen im Land zu beobachten, nicht jedoch, um aktive Fälle zu bestimmen.

Allein zwischen 1. und 4. Februar sind dem Vernehmen nach mehr als 70 potenzielle Fälle der südafrikanischen Virus-Variante in Tirol entdeckt worden, die nun mittels Genomsequenzierung bestätigt werden müssen. Bei all diesen Fällen handelt es sich um nach wie vor aktive Erkrankungen.

Bei den neun weiteren bereits durch Sequenzierung bestätigten B.1.351-Proben aus anderen Bundesländern handelt es sich "in der Regel um Einzelfälle wie in Wien", sagt Bergthaler. Hinter diesen könnten sogar noch weniger Infektionsfälle stecken, weil es zu Doppelbeprobungen gekommen sein dürfte, so der Forscher.

(APA/red.)

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