Derzeit ist der digitale Countryclub nach wie vor in China erreichbar. Erstmals können sie über zensierte Themen wie die Uiguren-Lager sprechen. Eine Sperre ist aber nur noch eine Frage der Zeit.
Der Social-Media-Hype um Clubhouse hat China erreicht. Am Wochenende bracht das Netzwerk unter Tausenden chinesischen Social-Media-Nutzern beinahe zusammen. App Clubhouse scheint es gelungen zu sein, die Zensur von Online-Netzwerken in China zu umgehen. Seit einigen Tagen nimmt die Zahl der chinesischen Nutzer auf der US-App stetig zu, die mit Hilfe der Plattform über heikle und im eigenen Land zensierte Themen wie die Unterdrückung muslimischer Uiguren, die Demokratiebewegung in Hongkong und Taiwans Unabhängigkeitskonzept diskutieren. Eine Sperre durch die Volksrepublik ist aber nur noch eine Frage der Zeit.
Die Nutzer der im vergangenen Frühjahr in den USA entwickelten App können per Audio verschiedene "Räume" besuchen, in denen Menschen miteinander reden. Derzeit ist der Zugang zur App streng limitiert. Unter der Voraussetzung eines iPhones/iPads und einer persönlichen Einladung kann Clubhouse genutzt werden.
Ab Sonntag war Clubhouse auf dem chinesischen Festland ohne VPN zugänglich, das üblicherweise zur Umgehung des VPN verwendet wird sogenannte Great Firewall und Zugriff auf ausländische Internetdienste von Google Mail bis Twitter. China-Experten und auch AFP-Reporter berichten von offenen und "emotionalen" Diskussionen zwischen Uiguren und Vertretern der Mehrheit der Han-Chinesen. "Ich bin in einem von Taiwanesen geführten Raum im Clubhouse, wo 4000 Mandarin-Sprachige - einschließlich Uiguren und Han-Chinesen IN CHINA und außerhalb - über... alles reden", twitterte die in Berlin lebende Journalistin Melissa Chan. "Von Überwachung, über Freunde, die gerade Umerziehungslager hinter sich haben bis hin zu alltäglichem Kram". Eine offene Diskussion über solche Themen ist in China, wo starke staatliche Zensur die Norm ist, verboten. Ungünstige Kommentare oder Artikel werden auf Plattformen wie WeChat von Tencent Holdings Ltd. und der Microblogging-Plattform Weibo von Sina Corp. schnell entfernt.
In einem anderen Raum tauschten sich mehrere Exil-Uiguren über ihre Erfahrungen aus Xinjiang aus, wo China seine Umerziehungslager gebaut hat. Einige Clubhouse-Teilnehmer im Xinjiang-Chat sagten, sie hätten den Kontakt zu ihren Familienmitgliedern verloren und seien seit mindestens vier Jahren nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. "Dank Clubhouse habe ich die Freiheit und das Publikum, um meine Meinung zu äußern", sagte ein in Finnland ansässiger Arzt und Aktivist. "Die App ist für mich von Vorteil und bietet eine Plattform für den Dialog zwischen Uiguren und Chinesen. >>> Clubhouse: Was ist dran am Hype? [premium]
Die Hybrid-App aus Podcast und Mitmach-Talkshow hat Europa im Sturm erobert. Der fragwürdige Datenschutz wird dem Hype zuliebe vielfach ignoriert.
Diskussionen zwischen im Ausland und in Peking lebenden Chinesen, wie lange die App wohl noch in der Volksrepublik frei zugänglich bleibt, nehmen zu. Analysten warnten, dass Peking den Zugriff bald blockieren könnte: "Das Fenster für offene Clubhouse-Gespräche über Politik auf Chinesisch schließt sich bereits", sagte der australische Experte für Internet-Politik, Fergus Ryan. Zudem dürfte unterschätzt werden, wie weit Chinas Arme bei der Überwachung greifen. Zuletzt wurden vermehrt Chinesen aufgrund fehlerhafter Beiträge auf Twitter verhört und zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Es bleibt aufgrund der Datenschutzbestimmungen für die meisten Chinesen eine sehr riskante Angelegenheit bei Clubhouse so offenherzig über Missstände zu sprechen.
(bagre/APA)