Leise, nachdenklich, zärtlich

Thomas Bernhard: Untypische Zitate

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Am Dienstag hätte Thomas Bernhard seinen 90. Geburtstag gefeiert. Wir haben - offensiv - nach Stellen gesucht, die nicht „typisch nach Bernhard“ klingen.

»Händel liebte ich von meiner frühesten Kindheit an, Bach bewunderte ich, aber er ist immer nur in die Nähe meines Herzens gekommen, Mozart war meine ureigene Welt.«

Aus dem autobiografischen „Der Keller. Eine Entziehung“ (1976)

»In die Natur hineingehen und in dieser Natur ein- und ausatmen und in dieser Natur nichts als tatsächlich und für immer Zuhause zu sein, das empfände er als das höchste Glück. In den Wald gehen, tief in den Wald hinein, sagte der Burgschauspieler, sich gänzlich dem Wald überlassen, das ist es immer gewesen, der Gedanke, nichts anderes, als selbst Natur zu sein.«

Aus dem Roman „Holzfällen“ (1984)

»Die Großväter sind die Lehrer, die eigentlichen Philosophen jedes Menschen, sie reißen immer den Vorhang auf, den die andern fortwährend zuziehen.«

„Ein Kind“ (1982)

»Von seiner Lungenkrankheit sprach er, als wäre sie seine zweite Kunst.«

Der Ich-Erzähler über den Pianisten Glenn Gould im Roman „Der Untergeher“ (1983)

»Oft lese ich ganze Seiten und weiß gar nicht, was ich gelesen habe. Ich fange dann noch einmal von vorn an und entdecke, dass das schön ist, was ich gelesen habe.«

Aus dem Roman „Frost“ (1963)

»Wissen Sie, das ist poetisch. Wenn Sie plötzlich irgendwo einen Mann weinen hören, das ist der Pfarrer. Übrigens hat er eine vorzügliche Bibliothek. Kann keine Kanzelreden. Er ist so furchtsam . . .«

Der Maler Strauch im Roman „Frost“ (1963)

»Ich bin zeitgemäß, heißt, ich habe voraus zu sein mit meinem Denken, es heißt nicht, daß ich zeitgemäß handle, denn zeitgemäß handeln, heißt, daß es unzeitgemäß ist, undsofort.«

Der Ich-Erzähler Franz-Josef Murau im Roman „Auslöschung. Ein Zerfall“ (1986)

»Das allerdings ist ein absurder Gedanke. Andererseits sind, wie ich im Laufe meines Lebens jetzt schon mit Entschiedenheit weiß, gerade die absurden Gedanken die klarsten Gedanken und die absurdesten die wichtigsten überhaupt.«

Aus der Erzählung „Ja“ (1978)

»Wir bestehen nur aus Ideen, die in uns aufgetaucht sind und die wir verwirklichen wollen, die wir verwirklichen müssen, weil wir sonst tot sind.«

Aus dem Roman „Korrektur“ (1975)

»Einmal habe ich Montaigne vertraut / zuviel / dann Pascal / zuviel / dann Voltaire / dann Schopenhauer / Wir hängen uns so lange an diese / philosophischen Mauerhaken / bis sie locker sind / und wenn wir lebenslang daran zerren / reißen wir alles nieder..«

Aus dem Stück „Der Weltverbesser“ (1978)

»Die Welt als Wille und Vorstellung war mir schon von frühester Jugend an das wichtigste aller philosophischen Bücher gewesen und ich habe mich auf seine Wirkung, nämlich die vollkommene Erfrischung meines Kopfes, immer verlassen können. In keinem anderen Buch habe ich jemals eine klarere Sprache und einen ebenso klaren Verstand gefunden, kein Literaturstück hat jemals auf mich eine tiefere Wirkung ausgeübt.«

Aus der Erzählung „Ja“ (1978)

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