Diplomatie

70 EU-Abgeordnete fordern Borrells Rücktritt

Josep Borrells (li.) Besuch beim russischen Außenminister Sergej Lawrow schlägt im EU-Parlament hohe Wellen.
Josep Borrells (li.) Besuch beim russischen Außenminister Sergej Lawrow schlägt im EU-Parlament hohe Wellen.APA/AFP/HANDOUT
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Der EU-Chefdiplomat steht seit seinem umstrittenen Moskau-Besuch in der Vorwoche in der Kritik. Heute muss er sich vor dem Europäischen Parlament erklären. Er will neue Sanktionen gegen Russland vorschlagen.

In den angespannten Beziehungen zwischen der EU und Russland will der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell neue Sanktionen gegen Moskau vorschlagen. Es sei Sache der EU-Staaten, über den nächsten Schritt zu entscheiden, sagte Borrell am Dienstag im EU-Parlament. "Aber ja, das könnte Sanktionen einschließen." Er werde das Initiativrecht des Außenbeauftragten nutzen und konkrete Vorschläge vorlegen. Die Außenminister der EU-Staaten beraten am 22. Februar über das Thema.

Im März wollen sich auch die EU-Staats- und Regierungschefs damit beschäftigen. Borrell war vergangene Woche nach Moskau gereist, um die Freilassung des russischen Kremlkritikers Alexej Nawalny zu fordern - erfolglos. Nun zog er eine ernüchternde Bilanz der Reise. Er habe im Vorfeld keine Illusionen gehabt, sei nun aber noch besorgter. "Die russische Regierung geht einen besorgniserregenden autoritären Weg", so Borrell. Der Raum für die Zivilgesellschaft und die Meinungsfreiheit werde immer kleiner. Für die Entwicklung demokratischer Alternativen scheine es so gut wie keinen Raum zu geben. Der Besuch habe den Trend bestätigt, dass Russland sich von der EU entferne.

Die Diskussion mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow sei hitzig gewesen, als er Nawalnys Freilassung gefordert habe, sagte Borrell. Es sei deutlich geworden, dass Russland sich nicht an einem konstruktiven Austausch beteiligen wolle, wenn die EU Menschenrechte und politische Freiheiten anspreche. "Wir sind in den Beziehungen mit Russland an einem Scheideweg", sagte Borrell.

Kritik von Abgeordneten

Mehr als 70 Abgeordnete des Europaparlaments haben Borrells Rücktritt  nach seiner Reise nach Moskau gefordert. 73 Abgeordnete, großteils aus osteuropäischen Staaten, hätten am Montagabend einen Briefentwurf des estnischen Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP), Riho Terras, unterzeichnet, berichtete das Internetportal Politico am Dienstag. Borrell selbst wird dem EU-Parlament am Dienstagnachmittag Frage und Antwort stehen.

In dem Brief an die Kommissionspräsidentin wird dem Bericht zufolge die Besorgnis "über die demütigenden Entwicklungen" während Borrells Besuch in Moskau zum Ausdruck gebracht. "Borrells Fehleinschätzung bei der proaktiven Entscheidung, Moskau zu besuchen, und sein Versäumnis, während seines Besuchs für die Interessen und Werte der Europäischen Union einzutreten, haben den Ruf der EU schwer geschädigt", heißt es laut Politico in dem Brief.

"Maßnahmen ergreifen"

Wenn Borrell nicht zurücktritt, "glauben wir, dass die Vorsitzende der Europäischen Kommission Maßnahmen ergreifen sollte" schreiben die Unterzeichner, die größtenteils aus der Europäischen Volkspartei und den Fraktionen der Europäischen Konservativen und Reformisten (EKR) sowie der liberalen Renew Europe.

Kritik kommt auch von österreichischen EU-Parlamentariern. Die Debatte über den Rücktritt des Spaniers geht den EU-Mandataren der ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos in diesem Fall allerdings zu weit. Borrell sei "wahrlich keine Idealbesetzung", teilte ÖVP-EU-Abgeordneter Lukas Mandl mit. "Aber ein Rücktritt mitten in der Krise wäre ein falsches Signal von Europa nach außen", so Mandl. Der Besuch Borrells in Moskau sei "als solcher nicht falsch" gewesen. "Aber die Art und Weise war ein Lehrstück dafür, wie man es nicht macht", kritisierte der EU-Mandatar. "Borrell hat sich von der russischen Führung nach allen Regeln der Kunst, nach Strich und Faden vorführen lassen."

"Der Besuch von Josep Borrell in Moskau war alles andere als ein Erfolg", erklärte SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder am Dienstag vor Journalisten. Er sah die Verantwortung aber vor allem bei der russischen Seite, diese habe den Besuch "genützt, um die gesamte EU zu brüskieren und vorzuführen". Die Ausweisung von drei EU-Diplomaten noch während der Pressekonferenz von Borrell und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow sei ein "extremer Affront und eine Provokation" gewesen, kritisierte Schieder. Russland würde "nichts an einem vernünftigen Dialog" liegen.

"Nicht unbedingt sehr klug verhalten"

Ähnlich äußerte sich der Grüne-EU-Abgeordnete Thomas Waitz. Borrell habe sich "nicht unbedingt sehr klug verhalten", aber es sei ein "Affront seitens Russland" gewesen, sagte Waitz mit Verweise auf den Umgang mit dem russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, die Ausweisung der EU-Diplomaten sowie die "willkürlichen" Verhaftungen. An sich sei es "richtig, dass man mit seinem Nachbarn spricht", unter diesen Umständen wäre "der Besuch allerdings abzusagen gewesen" - spätestens als Borrell von der Ausweisung der EU-Diplomaten gehört habe, "hätte er die PK abbrechen müssen".

Für Claudia Gamon, EU-Abgeordnete der Neos, war der Besuch Borrells in Moskau eine "außenpolitische Peinlichkeit", die aber "offensichtlich auch mit den Außenministern der Mitgliedstaaten" abgesprochen gewesen sei. Gamon kritisierte, dass die EU in wesentlichen außenpolitischen Fragen nicht "entscheidungsfähig" sei. Sie forderte Sanktionen, die "spürbar sind, und die auch Konsequenzen haben".

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