Roma-Abschiebung: EU-Parlament rügt Frankreich

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Abgeordnete drängen Kommission zu Vertragsverletzungsverfahren. Präsident Sarkozy gerät unter Druck. Die von ihm persönlich angeordnete Massenabschiebung von Roma wird zunehmend ein politischer Bumerang.

Strassburg (APA, wb). Nicolas Sarkozy gerät unter Druck. Die von ihm persönlich angeordnete Massenabschiebung von Roma wird zunehmend ein politischer Bumerang. Im In- wie auch im Ausland wächst der Unmut. Am Donnerstag forderte eine klare Mehrheit im Europaparlament den unverzüglichen Stopp der Abschiebungen. Gleichzeitig wird die EU-Kommission aufgefordert, ihren Pflichten als Hüterin des EU-Rechts nachzukommen. Sie müsste ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich einleiten.

Die von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken unterstützte Entschließung fordert die EU-Kommission, den Rat und die Mitgliedstaaten auf, das Recht auf Freizügigkeit und das Gebot der Nichtdiskriminierung ethnischer Gruppen durchzusetzen. Die von französischen Behörden durchgeführte Abnahme von Fingerabdrücken der ausgewiesenen Roma sei ebenfalls „rechtswidrig“ und verstoße gegen die EU-Grundrechtscharta sowie gegen EU-Richtlinien. Sie stelle eine Diskriminierung aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit dar, heißt es in der Resolution.

Nun rächt sich auch der Druck des französischen Präsidenten auf die Kommission, mit dem er versucht hatte, europapolitische Folgen der Abschiebung zu vermeiden. Die Straßburger Abgeordneten kritisierten nun „die verspätete und begrenzte Reaktion“ der Brüsseler Behörde. Einzelne Abgeordnete wiesen darauf hin, dass es Belege dafür gebe, dass Kommissionspräsident José Manuel Barroso versucht hatte, eine allzu forsche Behandlung der rechtswidrigen Abschiebung zu verhindern. So wurde etwa die rechtliche Analyse der Abschiebung nicht veröffentlicht.

„Mit dem Beschluss des Parlaments gibt es ein Druckmittel gegen die Kommission“, so die grüne Abgeordnete Ulrike Lunacek im Gespräch mit der „Presse“. Sie fordert von Barrosos Team eine umfassende Strategie, „die sicherstellt, dass die Integration der Roma in allen Mitgliedstaaten ernsthaft in Angriff genommen wird“.

Die Möglichkeiten des Parlaments sind freilich begrenzt. Die beschlossene Resolution erhöht zwar den öffentlichen Druck auf Frankreich und die Kommission. Rechtlich verbindlich ist diese Entschließung aber nicht.

Insgesamt stimmten 337 Abgeordnete für die Rüge gegen Frankreich. 245 Abgeordnete stimmten dagegen. Die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) hatte einen Alternativtext vorgelegt, in dem die französische Roma-Abschiebung nicht verurteilt wurde. „Wir beteiligen uns nicht an einem Sarkozy-Bashing“, begründete dies der Delegationsleiter der ÖVP im Europaparlament, Ernst Strasser.

Einzelprüfung notwendig

Allerdings wies auch die EVP darauf hin, dass „Ausweisungen von EU-Bürgern von Fall zu Fall betrachtet und auf der Grundlage ordnungsgemäßer gerichtlicher Entscheidungen vorgenommen werden müssen“. Seit Jahresbeginn hat Frankreich rund 8000 Roma in ihre Heimatländer Rumänien und Bulgarien abgeschoben. Die französische Regierung betonte zwar, die Abschiebung erfolge wegen Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und wegen Eigentumsdelikten. Einzelprüfungen dieser Vorwürfe gab es aber nicht. Den Betroffenen wurde auch nicht – wie es das EU-Recht vorsieht – die Möglichkeit gegeben, Rechtsmittel einzulegen.

EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat in der Zwischenzeit einen Brief an den französischen Einwanderungsminister Eric Besson gesandt. Darin fordert sie die Umsetzung der EU-Freizügigkeitsrichtlinie von 2004 samt den enthaltenen Rechtsgarantien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2010)

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