Glücksspiel: Republik droht Amtshaftungsklage

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Der EuGH kritisiert die freihändige Vergabe der Casinoslizenzen. Kommendes Jahr wird neu ausgeschrieben. Die EU-Richter hatten am Donnerstag das alte Glücksspielgesetz für EU-rechtswidrig erklärt.

Brüssel/Wien. Es war nur eine Bagatelle: Der Deutsche Ernst Engelmann wurde wegen des Betriebs zweier illegaler Spielcasinos in Linz verurteilt. Er ging in Revision, das Gericht delegierte den Fall an den Europäischen Gerichtshof – und dieser lässt in der heimische Glücksspielszene nun keinen Stein auf dem anderen. Die EU-Richter haben am Donnerstag das alte Glücksspielgesetz in der Luft zerrissen. Am grundsätzlichen System – der Staat hat das Glücksspielmonopol und vergibt eine bestimmte Zahl an Konzessionen – wurde jedoch nicht gerüttelt.

Vor allem hat der EuGH den bisherigen Vergabemodus der Lizenzen durch das Finanzministerium gerügt: Bei der 1998 erfolgten Verlängerung der Konzessionen für sechs Spielbanken an die Casinos Austria (Casag) habe es keine öffentliche Ausschreibung gegeben, kritisiert der EuGH. Es liege daher Intransparenz, Ungleichbehandlung, Diskriminierung sowie der Verstoß gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit vor.

Diese „Keule“, wie Rechtsanwalt Johannes Öhlböck den Richterspruch bezeichnet, hat gravierende Auswirkungen. „Wir bereiten im Namen mehrerer Firmen eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich vor“, kündigt Rechtsanwalt Christian Horwath im Gespräch mit der „Presse“ an. Diese Firmen wollten Spielbanken betreiben, sind aber abgeblitzt, weil die Lizenzen „freihändig“ nur an die Casag vergeben worden sind. Öhlböck schließt auch Schadenersatzklagen gegen die Casag nicht aus, die von ihrer Marktdominanz jahrelang profitiert hat.

Das EuGH-Urteil dürfte auch anhängige Rechtsstreitigkeiten beeinflussen. Man müsse dies noch genau prüfen, aber es könnte sein, dass jemand, der keine Chance hatte, sich um eine Konzession zu bewerben und trotzdem Spiele anbietet, nicht wegen illegalen Glücksspiels bestraft werden könne, so ein Jurist des Bundeskanzleramts in einer ersten Einschätzung.

Das alte Glücksspielgesetz verstoße gegen EU-Recht, befanden die EU-Richter. Denn das Recht zum Betrieb von Spielbanken hatten ausschließlich Aktiengesellschaften mit Sitz in Österreich. Das verletze die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Der EuGH lässt auch das Argument nicht gelten, dass die Beschränkung dazu diene, kriminelle oder betrügerische Zwecke zu verhindern. Es gebe nämlich „mildere Mittel, die Tätigkeit und die Konten dieser Wirtschaftsteilnehmer zu kontrollieren“.

„Das Urteil bestätigt unsere Bemühungen um das neue Gesetz, das die Erfordernisse nach Transparenz berücksichtigt“, sagt Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP). Wie im Gesetz vorgesehen, werden alle bestehenden zwölf sowie drei neue Casinolizenzen, die Lotterienlizenz und eine Pokerlizenz im kommenden Jahr EU-weit ausgeschrieben. Die zeitliche Befristung auf 15 Jahre sei EU-konform. In einem Punkt dürfte das neue Gesetz allerdings novelliert werden müssen: dass EU-Bewerber nach Erhalt einer Lizenz eine inländische Kapitalgesellschaft gründen müssen, wird vom EuGH kritisiert. Auch bloße Zweigniederlassungen von EU-Gesellschaften könnten Betreiber sein.

Für die Casag und ihre Tochter Lotterien bedeutet das Konkurrenz. Das sei aber „keine Überraschung“, sagt Lotterien-Vorstand Friedrich Stickler. „Wir sind gut vorbereitet.“ Marktbeobachter rechnen auch damit, dass die Lotterien ihre Lizenz behalten werden. Sicher ist, dass sich die Novomatic, die Spielautomaten produziert und schon im Ausland Spielbanken betreibt, um Spielbankelizenzen bewirbt. Auch Century Casinos könnte Interesse zeigen.

Doppelt so hohe Sportförderung

Dass sich die Liberalisierung negativ auf die Sportförderung auswirken könnte, stellt Lopatka in Abrede. Mit der Novelle sei festgelegt, dass alle Konzessionsnehmer eine Abgabe zur Sportförderung leisten müssen. Damit fließen nicht nur aus Lotto/Toto Gelder in den Sport, sondern auch aus Spiel- und Pokercasinos. Lopatka geht von einer Verdoppelung der Sportförderung auf 80 Mio. Euro aus. Spielbankenbetreiber zahlen künftig 30 Prozent Spielbankabgabe, bisher galten 48 Prozent.

Leitartikel Seite 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2010)

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