Ski-WM

Die goldene Handbremse

APA/EXPA/JOHANN GRODER
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Instinkt ist Trumpf im Super-G und jener von Vincent Kriechmayr ist derzeit der feinste. Auch wenn Alarmstimmung herrscht.

Mit stolzgeschwellter Brust und unter Applaus einiger Offizieller und Medienvertreter ist die Trainer-Armada des ÖSV durch den Zielraum geschritten. Doch über ihre Rolle beim Weltmeistertitel von Vincent Kriechmayr im Super-G, gleich zum Auftakt dieser 46. alpinen Ski-WM, gibt es zumindest ein paar Zweifel.

Denn wie alle an diesem Tag in Cortina postierten Coaches haben auch sie diese eine Schlüsselstelle nach knapp 30 Fahrsekunden falsch eingeschätzt, darüber herrschte selbst bei Herrencheftrainer Andreas Puelacher und Abfahrtschef Sepp Brunner, beide erfolgreiche Weltcup-Veteranen, Einigkeit. „Nach den Vorläufern war Alarm“, meinte Brunner. „Dann hat man aber sofort reagiert“, erzählte Puelacher und meinte, man habe wie wild an den Start gefunkt.

Kriechmayr aber hatte die ersten drei Starter ohnehin noch auf den TV-Bildern verfolgt und gesehen, wie sie allesamt an der Schlüsselstelle des vom Italiener Alberto Ghidoni gesetzten Super-G völlig chancenlos ausschieden. Es waren auch nicht irgendwelche Testpiloten, sondern ÖSV-Starter Christian Walder und die beiden Schweizer Stars Loïc Meillard und Mauro Caviezel.

„Ich habe heute richtig geschwitzt, das kann ich so sagen“, erzählte Kriechmayr. „Nachdem ich eins, zwei, drei hinausfliegen habe sehen, habe ich sowieso einen anderen Plan gehabt.“ Nachsatz: „Da war mir egal, was jetzt ein Trainer sagt.“

Der Schlüssel zum Sieg waren also weniger Funksprüche als sein eigener Instinkt und eine radikale skifahrerische Maßnahme. „Ich habe noch nie einen 200-Meter-Drift gemacht in meiner Karriere.“

„Brutal locker“

Am Ende durfte sich dann freilich das gesamte ÖSV-Lager gegenseitig auf die Schultern klopfen. Dank des 29-jährigen Mühlviertlers, der wie immer – und so laut es die Corona-Schutzmaßnahmen erlaubten – die österreichische Hymne mitsang und der neben jener Schlüsselstelle auch die Favoritenrolle mit Bravour gemeistert hatte. „Gestern Abend hat er einen brutal lockeren Eindruck auf mich gemacht. Die Favoritenrolle kannst du ja nicht wegreden. Er ist gereift über die Jahre. Das ist richtige Größe“, erklärte Chefcoach Puelacher. Und Kriechmayr stellte klar: „Die Erwartungshaltung, die ich mir selbst gegenüber habe, ist ja viel höher als das, was ich von außen mitbekomme.“

APA/EXPA/JOHANN GRODER

Der Mann aus Gramastetten schrieb damit auch das nächste Erfolgskapitel für die selbst erklärte Super-G-Nation Österreich, nach den Weltmeistern Stephan Eberharter (1991, 2003), Hermann Maier (1999) und Hannes Reichelt (2015) in dieser vergleichsweise noch jungen Disziplin (ab 1982).

„Super-G ist reines Instinktfahren. Schlussendlich wirst du oft in Situationen gedrängt, in denen du improvisieren musst“, erklärt Kriechmayr in Cortina. In diesem Fall eine klare Untertreibung. „Ein schwieriges Rennen, keiner ist perfekt gefahren, einer WM würdig.“

Bemerkenswert: Auch Kriechmayr weilt zum ersten Mal im WM-Ort. „Ein richtig tolles Gebiet, vor allem, wenn es dann so schön ist wie heute. Da macht Skifahren schon richtig Spaß, da weiß man zu schätzen, was es für ein großes Privileg ist, diesen Sport machen zu dürfen. Mir ist egal, was noch passiert, ich fahre mit einem großen Lachen aus Cortina heraus.“

Herren, Super G

1. Vincent Kriechmayr (AUT) 1:19,41 Min.
2. Romed Baumann (GER) +0,07 Sek.
3. Alexis Pinturault (FRA) +0,38

Weiters: 6. Mayer +0,60.
Ausgeschieden: Walder, Franz (beide AUT).

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