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Grau? Schwarz? Das heikle Gefieder des Bundesadlers

Warum das österreichische Verfassungsgesetz über die Staatssymbole längst obsolet geworden ist.
Warum das österreichische Verfassungsgesetz über die Staatssymbole längst obsolet geworden ist.Clemens Fabry
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Warum das österreichische Verfassungsgesetz über die Staatssymbole längst obsolet geworden ist.

Die Bilder hat seit Corona jeder im Kopf: Der Bundeskanzler und diverse Minister geben eine Pressekonferenz. Statt den barocken Rahmen des Kongressaals im Bundeskanzleramt wirken zu lassen, hat man sie vor eine weiße Sperrholzwand mit rot-weiß-roten Flaggen gestellt. Und auf jeder der Fahnen prangt der Bundesadler. Hier beginnt die Geschichte spannend und unterhaltsam zu werden, auch wenn es beileibe wichtigere Dinge zu bedenken gibt. Denn – so sagen zwei Autoren, ausgewiesene Spezialisten auf diesem Gebiet – der schwarze Bundesadler ist nicht korrekt!

Ähnlich wie mit der Bundeshymne hat Österreich seine Probleme mit dem Bundeswappen. 1945 hatte man zweifellos andere Sorgen, als der Nationalrat auf Anregung Karl Renners beschloss, dem früher verwendeten schwarzen Adler gesprengte Ketten hinzuzufügen, um an die Befreiung zu erinnern. Man vergaß, die Farbe der Kette (Silber) im Gesetz zu bestimmen. So führte Österreich bis in die Achtzigerjahre ein formal verfassungswidriges Bundeswappen.

Wer aber glaubt, damit sei der kakanischen Absonderlichkeiten endlich ein Ende gesetzt, irrt gewaltig. Denn 1983 machten sich die Klubobleute Heinz Fischer und Heinrich Neisser daran, das Verfassungsgesetz hieb- und stichfest zu formulieren. Allein, der Wille galt nicht für das Werk. Da es damals schon längst keine professionellen Wappenmaler mehr gab, benützte das zuständige Innenministerium als bildliche Darstellung die einzige verfügbare und brauchbare Abbildung des Wappens, wie sie die Staatsdruckerei für die Schulen und Ämter ausgab. Auf durchscheinendem Rotationspapier gedruckt, bildet sie bis auf den heutigen Tag die einzige offizielle Vorlage für das Bundeswappen.

Verwirrte Fahnenerzeuger

Und seitdem hapert es mit der „offiziellen“ Darstellung. Denn die Staatsdruckerei stellte die Vorlage „schwarz-blau/grau meliert“ dar. Dies entspricht aber nicht der wörtlichen Erklärung im Verfassungsgesetz, wonach der Adler „schwarz“ zu sein hat. Und weil auch die Fahnenerzeuger verwirrt sind, erhebt sich über der Hofburg ein grau melierter Adler (Assoziationen zum Amtsinhaber verbieten sich), während gegenüber auf dem Kanzleramt ein schwarzer Adler herüberwinkt (Türkis ist nicht vorgesehen). Das kommt daher, dass die Erste Österr. Fahnenfabrik (Mühldorf bei Gmunden) den schwarzen Adler druckt, während Fahnen Gärtner in Mittersill nur den schwarz konturierten, sonst aber grau gefiederten Gesellen produziert. Der wird von den Bundesbehörden bevorzugt, weil er billiger ist.

1984 hatte der Nationalrat noch ganz detailliert aufgeführt, wer zum „Führen“ des Bundeswappens in der Staatsflagge berechtigt ist (deren Form übrigens ebenfalls definiert ist: 3:2 beträgt das Verhältnis von Länge zu Breite). Doch inzwischen hat sich die Bestimmung überholt. Sportler schmücken sich mit der Staatsflagge, Fußballfans schwenken sie ganz unbefangen. Somit steht fest, dass die Strafbestimmungen des § 8 Abs. 3 des Wappengesetzes von 1984 obsolet sind. Welan und Diem plädieren daher für eine Adaption des Verfassungsgesetzes – auch wenn zurzeit wohl wichtigere Materien anstehen.

Buch
Manfried Welan, Peter Diem, „Ihr Recht geht vom Volk aus“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2021)

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