Thilo Sarrazin spricht von einem strategischen Rückzug aus der Bundesbank. Der Bundesbankvorstand ist das „Problem“ Sarrazin nach dessen freiwilligem Rückzug los, die SPD jedoch muss es erst für sich lösen.
Berlin. Der Bundesbankvorstand ist das „Problem“ Sarrazin nach dessen freiwilligem Rückzug los, die SPD jedoch muss es erst für sich lösen. Das kürzlich eingeleitete Ausschlussverfahren gegen den 65-Jährigen ist innerparteilich umstritten und hat dem Aufschwung der Sozialdemokraten seit dem Desaster bei den Bundestagswahlen vor knapp einem Jahr einen schweren Dämpfer versetzt.
Nun scheint die SPD zu hoffen, auch sie könnte um den Ausschluss herumkommen. Sollte es sich beim Rückzug aus der Bundesbank „tatsächlich um einen Schritt aus Einsicht handeln, dann sollte der nächste Schritt folgen: der Austritt aus der SPD“, so Fraktionsvorstandsmitglied Sebastian Edathy. Sarrazin hat aber erst vor Kurzem angekündigt, er wolle sein Parteibuch mit ins Grab nehmen.
SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sagte, man werde keinen „kurzen Prozess“ mit Sarrazin machen, sondern eine öffentliche Debatte um seine Vererbungsthesen führen. Sarrazin müsse klarmachen, ob er „diese Eugenikdebatte“ aufrechterhalte oder nicht. Davon werde die Entscheidung über den Parteiausschluss abhängen. Eine bundesweite Mitgliederbefragung soll es nicht geben.
Thilo Sarrazin, dessen Buch „Deutschland schafft sich ab“ im Mittelpunkt der Debatte steht, will jedenfalls weiter die Themen beackern, die ihm wichtig sind. Bei seinem Verzicht auf den Posten im Bundesbank-Vorstand handle es sich um einen „strategischen Rückzug“. Er habe sich überlegt, ob er es sich leisten könne, sich „mit der gesamten politischen Klasse in Deutschland anzulegen. Diese Situation hält auf Dauer keiner durch.“ Der Rückzug Sarrazins wurde von der Regierung begrüßt. Auch Bundespräsident Christian Wulff, dem damit die Entscheidung abgenommen wurde, zeigte sich erleichtert.
Die Sarrazine der CDU
Die CDU hat unterdessen ihre eigenen „Sarrazine“, wie sie deutsche Medien bereits tauften: Die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach etwa sagte bei einer Fraktionsklausur, sie könne es „leider nicht ändern, dass Polen bereits 1939 mobilgemacht hat“, was große Entrüstung hervorrief. Nun befürchtet die Partei, ebenfalls in einen Strudel von Rücktritts- und Ausschlussforderungen gerissen zu werden. Steinbach zog erste Konsequenzen und wird nicht mehr für den CDU-Vorstand kandidieren. Darüber hinaus sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel keinen Handlungsbedarf.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2010)