Pizzicato

Schluchtenrufer

In den engen Schweizer Alpentälern funktionierte die Kommunikation in der Prä-Handy-Ära auf ganz archaische Weise.

Von Dorf zu Dorf, von Hügel zu Hügel, von Schlucht zu Schlucht verständigten sich die Eidgenossen über Zurufe, und sie kündigten sich über das Bimmeln von Kirchen- oder Kuhglocken an. Die Schluchtenrufer schrien sich die Seele aus dem Leib. Mit der Zeit entwickelte sich daraus der Jodler und später das Alphornblasen.

In den Bergen, wo mitunter das Handy versagt, hat sich die Tradition bis heute gehalten – bis hinein in den Skisport. Und so feuerte ein Schweizer Betreuer bei der Abfahrt der Herren bei der Ski-WM in Cortina d'Ampezzo seine Asse an, als stünde der Berg in Flammen. Er brüllte wie am Spieß. Womöglich verwirrte er mit seinen Urschreien seine Landsleute jedoch derart, dass sie in der schwindelerregenden Vertigine zu spät zum Schwung ansetzten.

Immerhin trieb er Beat Feuz, den Kugelblitz aus dem Emmental, noch zu Bronze. Feuz lebt inzwischen in der Nähe von Innsbruck, wo die Berge nicht ganz so hoch sind wie in der Heimat, die Menschen aber nicht weniger stur. Feuz, längst in die moderne Technik eingeweiht, gratulierte nach dem Super-G dem Tiroler ÖSV-Präsidenten per Handy-Sprachnachricht zu Gold und schwor Revanche – was aber in den Dolomiten verhallte. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2021)

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