Volkstheater

Theater-Talkshow mit Flügerl und Stierhoden

Pia Hierzegger führt als Moderatorin durch die bewusst trashige Infotainment-Show.
Pia Hierzegger führt als Moderatorin durch die bewusst trashige Infotainment-Show. [ Nikolaus Ostermann ]
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Mit einer trashigen Online-Show eröffnet Intendant Kay Voges seine erste Saison. Basierend auf „Dossier“-Recherchen wird der Red-Bull-Konzern vermessen. Investigatives Theater? Ein banaler Versuch.

Der Buhruf hat nun auch im digitalen Theater seine Entsprechung gefunden: Die Chat-Funktion. Höflich aber deutlich enttäuscht kündigt dort ein Gast der Online-Theater-Talksendung „Die Recherche-Show“ via Zoom nach 45 Minuten sein Log-out an. Er hoffe in Zukunft auf bessere digitale Formate. Ein anderer Gast bittet auf demselben Kanal prompt um Ruhe: „Shhhh!“

Aber verdenken kann man ihm's nicht: Die Produktion, mit der der neue Volkstheater-Intendant Kay Voges sein erstes Zeichen sendet, fällt unter das, was man mit viel Wohlwollen „charmant missglückt“ nennen könnte. Das Volkstheater in den Bezirken tat sich dafür mit dem Grazer Theater im Bahnhof zusammen – und mit der Rechercheplattform „Dossier“, die für ihr neues Projekt den Red-Bull-Konzern durchleuchtet hat. Die Kooperation, die am Freitag ihre Premiere hatte, versprach quasi investigatives Theater. Geliefert wurde eine verblödelt-trashige Talkshow, die inhaltlich völlig zahnlos blieb.

Zugleich mit der Premiere ist die „Dossier“-Recherche „Ungesüßte Geschichten“ als Magazin und Onlinepaket erschienen. Die Artikel sind äußerst spannend und vielschichtig: Manche dienen wohl dem Mythos, indem sie von den mysteriösen Anfängen der Firma erzählen oder von den gefinkelten – manche werden sagen: perfiden – Techniken, mit denen sich Red Bull erst in österreichischen Après-Ski-Bars, später bei angesagten Hollywood-Partys seinen Status an der Bar sicherte. Andere widmen sich den Problemzonen des Konzerns: tote Extremsportler, Verschwörungstheorien auf Servus TV, Geflechte von Tochter- und Briefkastenfirmen, die nicht zu Mateschitz' Erzählung vom braven österreichischen Steuerzahler passen wollen.

Die Volkstheater-Produktion, inszeniert von Ed Hauswirth, streift all das nur. Lieber spielt sie mit dem Spannungsfeld zwischen der Faszination über die unsagbare Erfolgsgeschichte und dem Argwohn gegenüber einer Firma, die Macht und Geld gnadenlos einsetzt, die nicht kritisiert werden darf.

In dieser Welt ist alles „Extrem!“

Pia Hierzegger gibt mit Chris-Lohner-Perücke die Moderatorin, die Schauspieler Julia Franz Richter, Martina Zinner und Rupert Lehofer sind Gäste auf der Couch, die Volks-Ansichten zu Red Bull repräsentieren. Das Publikum kann in Live-Umfragen mitteilen, ob ihm das Zuckerwasser schmeckt oder es sich an Felix Baumgartners Sprung erinnert. Journalist Georg Eckelsberger wird als Experte zugeschaltet und kann sein Magazin bewerben. Seine kurzen Ausführungen konterkarieren das schrille Szenario der Show, in der ständig knallige Animationen über das Bild funkeln: „Extrem!“

Zwischendurch gibt es künstlerische Einlagen, in einem Lied voller erotischer Energie wird die Red-Bull-Markenwelt aufgefächert. Der kritische Geist der Produktion zeigt sich, indem sie ironisch unkritisch ist – weil man dürfe ja auch im Volkstheater nix Böses über diesen Konzern sagen. „An dieser Stelle möchte ich ein herzliches Servus an alle Red-Bull-Anwälte im Publikum richten“, lächelt Richter. Irgendwann wird Flügerl und Stierhoden serviert. Satt macht all das nicht – aber genug hat man trotzdem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2021)

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