Peter Pilz: "Die Zukunft der Grünen heißt Regieren"

(c) Clemens Fabry
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Interview mit Peter Pilz. Der Grünen-Abgeordnete sieht Fehler bei der Wiener Landesorganisation. In Zukunft soll die Kandidatenauswahl geändert werden und zahlreiche neue Mandatare ins Parlament einziehen.

„Die Presse“: Sind die Grünen jetzt zurück bei den Wurzeln – als Chaostruppe?

Peter Pilz: Die Ursprünge sind Ökologie, Frauenbewegung, Friedensbewegung und nicht Chaos. Aber ab und zu wird bei uns gestritten.

Das ist gut so?

Pilz: Wenn es um inhaltliche Fragen geht, um große Richtungsentscheidungen, dann ist das sogar sehr wichtig. Wenn es um Posten und um persönliche Animositäten geht, dann ist es durchaus entbehrlich.

Aber genau das ist jetzt in Wien der Fall.

Pilz: In Wien ist es eine Mischung: Im sechsten Bezirk gab es eine Richtungsentscheidung zwischen alten Sesselklebern und Grünen, die ernsthaft um die Bezirksvorstehung kämpfen wollten und dafür auch eine Mehrheit gefunden haben. Mit den Vorkommnissen im achten Bezirk bin ich äußerst unzufrieden. Und die Causa Stefan Schennach ist eine große persönliche und politische Enttäuschung. Aber dagegen gibt es keine Absicherung. Man kann in das Parteistatut nicht hineinschreiben: Ein Bundesrat hat einen Charakter zu haben, der sich deutlich von dem eines Sozialdemokraten unterscheidet.

Es ist wohl kein Zufall, dass diese Dinge jetzt aufbrechen, zwei Jahre, nachdem Alexander Van der Bellen die Parteiführung abgegeben hat?

Pilz: Die Wiener sind im Guten und im Schlechten sehr autonom. Das ist bei uns so. Ich halte aber nichts davon, wenn jetzt großes Wehklagen darüber ausbricht, dass man bei Wahlen bei uns nicht jedes Ergebnis im Vorhinein weiß. Wir sind keine Führerpartei, wir sind die einzige Partei in dieser Republik, bei der interne Wahlen für Kandidaturen echte Wahlen sind, bei denen auch ich vorher nie weiß, an welcher Stelle und ob ich gewählt werde.

Aber man sieht schon, dass die Basisdemokratie an ihre Grenzen stößt. Soll wirklich alles so bleiben, wie es ist?

Pilz: Nein, man wird nach den Landtagswahlen mit Sicherheit über Verbesserungen reden.

In welche Richtung sollte das gehen?

Pilz: In Richtung mehr gemeinsamer Verantwortung von Bundespartei, Landespartei und Regionalpartei. Es hat jetzt aber keinen Sinn, wenn ich detaillierte Vorschläge mache, das werde ich nach der Wahl tun. Aber wir werden uns in einigen Bereichen deutlich verbessern müssen – da geht es nicht nur um Vorwahlen und Kandidatenaufstellung. Auf Bundesebene zeigen wir ja schon vor, wie es geht, da haben wir es geschafft, dass es null Streit gibt.

Sie waren dabei, als die Grünen vor 24 Jahren erstmals ins Parlament kamen. Hat sich die Partei so entwickelt, wie Sie sich das damals vorgestellt haben?

Pilz: Ich habe mir etwas ganz anderes vorgestellt. Ich war mir sicher, dass ich maximal zwei Legislaturperioden im Parlament bleibe. Unser Verständnis von Politikern hat sich geändert und ist professioneller geworden. Andererseits ist mir erst nach einigen Jahren klar geworden, dass die Zukunft der Grünen Regieren heißt. Wenn wir nicht den anderen diese Republik überlassen wollen, müssen wir so stark und so gut und so überzeugend werden, dass wir regieren können. Und deshalb ärgert es mich jedesmal, wenn leichtfertig mit diesen Chancen umgegangen wird.

Das heißt konkret?

Pilz: Es hat einige Länder gegeben, da hätte ich mir andere Entwicklungen gewünscht. Aber die wirkliche Herausforderung wird nach der Wiener Wahl die nächste Nationalratswahl. Da wird es eine große Entscheidung geben, nachdem sich gezeigt hat, dass SPÖ und ÖVP nicht zusammen regieren können. Es kommt mit Sicherheit eine große Auseinandersetzung auf uns zu, ob Österreich noch einmal in Richtung Freiheitliche geht – oder in Richtung Grüne.

Schauen Sie sich Wahlergebnisse und Meinungsumfragen an: Da geht es deutlich in Richtung FPÖ.

Pilz: Warum? Seit einem halben Jahr stagniert die FPÖ und beginnt, Wahlen zu verlieren. Ich habe noch nie so einen unsicheren Strache gesehen wie in den letzten Wochen. Wer sich vor diesem Strache noch fürchtet, dem ist überhaupt nicht mehr zu helfen.

Die Umfragen sagen, Strache hat in Wien 20 Prozent, die Grünen zehn Prozent.

Pilz: In Wien hätten wir das auch wesentlich besser machen können, keine Frage. Wir versuchen derzeit in der Steiermark zu zeigen, wie es geht. Ich wäre froh, wenn das in allen Bundesländern so funktionieren würde.

Wien geben Sie schon verloren?

Pilz: Es gibt zwei Möglichkeiten. Nach den Fehlern der letzten Monate den Kopf hängen zu lassen, oder zu sagen: jetzt erst recht. Da ist noch einiges zurückzugewinnen.

Woran liegt es eigentlich, dass keine neue Generation an Grünen-Politikern heranwächst?

Pilz: Es wird vor der nächsten Nationalratswahl einen großen Erneuerungsprozess geben. Und da werden wir viele neue und talentierte Leute einladen, bei uns mitzumachen, und es wird mit Sicherheit auch neue Abgeordnete auf allen Ebenen geben. Wir haben die Grünen schon ein paarmal erneuert, das werden wir auch dieses Mal machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2010)

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