Film "Songbird"

Covid-23 muss man nicht haben

Songbird
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Der Thriller „Songbird“ zeigt eine Welt im endlosen Lockdown. Die Darstellung der viralen Apokalypse ist misslungen. Andere Seuchenschocker überzeugten mehr.

Es ist ja nicht so, dass man nach Szenarien giert, die das Pandemie-Geschehen spekulativ ins Extreme steigern. Aber es ist nun mal Seinszweck des Exploitation-Films, gegenwärtige Angstgebilde aufzugreifen und zu überhöhen. Insofern ist auch die Existenz von „Songbird“ - kürzlich im Amazon-Streamingabo erschienen - keine Überraschung. Es ist die erste größere Produktion seit Beginn der Pandemie, die diese zu einer waschechten Dystopie ausarbeitet, inklusive Slum-Siedlungen, in denen die Infizierten zusammengepfercht auf ihren Tod warten.

Das Gefahrenpotenzial von Covid-19 war für die Drehbuchautoren Simon Boyes und Adam Mason (auch Regisseur) während des Schreibens im Frühjahr 2020 offenbar nicht ausreichend, weshalb sie eine deutlich gefährlichere Mutante erfanden und ihre Geschichte vier Jahre in der Zukunft ansiedelten. Covid-23 tötet innerhalb von 24 Stunden, die Welt befindet sich im unendlichen Lockdown, und nur jene, die eine Immunität gegen das Virus aufweisen, dürfen sich noch frei bewegen.

Fahrradkurier Nico (K. J. Apa) ist einer von ihnen. Fast ist man erleichtert, dass ihn ein Armband als Immunen ausweist und nicht eine Armbinde – eine solche hätte als Symbol gut ins grobschlächtige Angstszenario des Films gepasst, das deutlich an verschwörungstheoretische Fantasien erinnert. Primärer dramaturgischer Hebel ist das Bemühen des Burschen, mit seiner geliebten Sara (Sofia Carson) Los Angeles zu verlassen.

Als ihre Großmutter erkrankt und beide in die sogenannte Q(uarantäne)-Zone gebracht werden sollen, versucht Nico alles, um das zu verhindern. Das zerrüttete Ehepaar Piper und William (Demi Moore und Bradley Whitford) handelt mit gefälschten Immunitätsausweisen und soll ihm einen solchen besorgen, während sich der ehemalige Müllmann Emmett (ein Lichtblick: Peter Stormare) als irrer Leiter der Stasi-artigen Hygienepolizei an seine Fersen heftet.

Der uninspiriert arrangierte Thriller scheitert vollumfänglich: Die tragische Romeo-und-Julia-Liebesgeschichte im Zentrum schmalzt vor sich hin, die virale Apokalypse wird so oberflächlich und trivial abgehandelt, dass man ihren Bezug zur gegenwärtigen Pandemie schnell vergisst.

„Variola Vera“ war besser

Immerhin kann diese von Krawall-Regisseur Michael Bay produzierte Nullnummer für sich in Anspruch nehmen, der weltweit erste Covid-Exploitation-Film zu sein. Wie effektiv, bestürzend und beängstigend ein Virus-Thriller sein kann, das zeigt die leider wenig bekannte jugoslawische Produktion „Variola Vera“ aus dem Jahr 1982: Protokollhaft und ohne plumpe Effekthascherei erzählt Regisseur Goran Marković darin die Fallgeschichte des letzten Pockenausbruchs 1972 in einem Belgrader Krankenhaus nach. Dieser Seuchenschocker wirkt auch deshalb so stark, weil er sein beängstigendes Szenario im Gegensatz zu „Songbird“ nicht mit abgegriffener Spektakeldramaturgie in Richtung Unwirklichkeit reißt, sondern den Horror ausgesprochen realistisch grundiert.

Apatow dreht „The Bubble“

Es wird jedenfalls interessant sein zu beobachten, inwiefern es Regisseuren in Zukunft gelingen wird, die Pandemie-Erfahrungen in Filmstoffe umzumünzen. Judd Apatow, Spezialist für ausgefuchste Lebensgefühl-Komödien wie „Beim ersten Mal“, inszeniert derzeit für Netflix mit der Satire „The Bubble“ die Geschichte einer Filmcrew, die versucht, während ihrer Quarantäne in einem Hotel weiterzuarbeiten.

Bereits vergangenes Jahr veröffentlichte der Brite Rob Savage seinen im Lockdown entstandenen Horrorfilm „Host“: Freundinnen halten via Videochat eine Séance ab und werden anschließend von der angerufenen Entität dezimiert. Und in Taiwan ist vor wenigen Wochen der packende Virus-Thriller „The Sadness“ angelaufen, in dem die Infizierten sich in (auch sexuell) aggressive Sadisten verwandeln.

Immerhin hat „Songbird“ den positiven Nebeneffekt, dass man das Kino kurz nicht mehr vermisst – weil man so froh ist, diesen Film jederzeit ausschalten zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2021)

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