Der Aufmarsch der anti-islamischen Internationale

Aufmarsch antiislamischen Internationale
Aufmarsch antiislamischen Internationale(c) EPA (JOHANNA GERON)
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In Europa spielen Rechtspopulisten mit der Angst vor Anschlägen und dem Unbehagen gegenüber dem »politischen Islam«.

Einen Koran verbrannt hat Geert Wilders bisher noch nicht. Ja er hat sogar das ursprüngliche Ansinnen von Pastor Terry Jones, mehrere Ausgaben davon anzuzünden, als „schlechten Plan“ kritisiert. Doch ansonsten geht der niederländische Rechtspopulist nicht gerade fein mit dem Heiligen Buch der Muslime um: Er verglich den Koran mit Adolf Hitlers „Mein Kampf“. Und in seinem Film „Fitna“ unterlegte er Aufnahmen von den Terroranschlägen am 11.September mit Koranzitaten.

Seine Reise zu Ground Zero in New York ist für ihn Teil eines Kampfes gegen eine „gewalttätige Ideologie“. Damit meint er nicht etwa die Ideen extremistischer Gruppen, die unter dem Deckmantel der Religion politische Ziele mit Terror durchzusetzen versuchen. Er meint den Islam per se, die zweitgrößte Weltreligion. Wilders ist der Prototyp des populistischen Politikers, der mit islamfeindlichen Parolen auf Stimmenfang geht. Er greift Missstände wie „Ehrenmorde“ oder Menschenrechtsverletzungen in islamischen Ländern auf und verallgemeinert. Und es dient ihm gleichsam als „Beweis“, wenn er und auch viel moderatere Kritiker dann von Extremisten mit dem Tod bedroht werden.

Wilders nutzt das wachsende Unbehagen gegenüber Muslimen in Europa. Das Unbehagen speist sich aus Furcht vor Terror und den Auswüchsen des „politischen Islam“, die auch vor Europa nicht haltmachen; aber ebenso aus Überfremdungsängsten, Rassismus – und Alltagsproblemen mit bestimmten sozialen Schichten von Migranten; Alltagsproblemen, die mit Religionszugehörigkeit nur wenig zu tun haben.

Vor allem seit dem 11.September haben rechtspopulistische Parteien muslimische Einwanderer als Feindbild Nummer eins entdeckt. Italiens Lega Nord wetterte in den neunziger Jahren noch vor allem gegen „kriminelle Albaner“. Mittlerweile sind Immigranten aus Nordafrika und der Islam an sich ins Visier der Lega geraten. So machte sie mit Plakaten, die das Konterfei Osama bin Ladens zeigten, gegen den Bau einer Moschee im norditalienischen Trentino mobil.

Sarrazin als neuer „Held“. Die stark islamkritischen Bücher der mittlerweile verstorbenen Schriftstellerin Oriana Fallaci werden in der rechten Lega als „Kultwerke“ verehrt. Dabei war Fallaci zu Beginn ihrer Karriere bekennende Linke. 1979 sorgte sie für Aufsehen, als sie sich während eines Interviews mit Irans Revolutionsführer Ajatollah Khomeini das Kopftuch herunterriss und rief: „Das ist ein dummer Fetzen aus dem Mittelalter.“ Die schiitische Revolution im Iran trug mit dazu bei, dass im Westen das Bild vom Islam als „gewalttätige Religion“ gezeichnet wurde.

Homepages wie „Politically Incorrect“ bieten Islamgegnern eine Plattform. Gegen „Europas Islamisierung“ tritt man dort auf und will „News gegen den Mainstream“ produzieren. Als neuen Helden feiert man den scheidenden Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin, der mit seinen Aussagen über muslimische Immigranten für Wirbel sorgte. Und man bewirbt einen für 2.Oktober geplanten Auftritt von Wilders in Berlin. Der Rechtspopulist wurde vom früheren CDU-Politiker René Stadtkewitz eingeladen. Deshalb musste Stadtkewitz nun sein Mandat in der Berliner CDU-Fraktion aufgeben. Doch er will eine neue Partei gründen und auch Sarrazin dafür gewinnen. „Die Freiheit“ soll sie heißen, das deutsche Pendant zu Wilders' „Freiheitspartei“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2010)

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