Pandemie

Psychotherapie auf Distanz funktioniert besser als erwartet

In der Tele-Therapie können die Einheiten erstmals halbstündig abgerechnet werden.

Wien. Jeder gute Psychotherapeut ist jederzeit für seine Patienten erreichbar. Eine Therapiestunde per Telefon oder Videochat abzuhalten, war aber bis zur Coronakrise nicht legal. Einer Umfrage zufolge empfinden die Therapeuten die Tele-Therapien besser als erwartet – und die Patienten seien demgegenüber allgemein offener.

Psychotherapeutische Praxen fallen in die Kategorie „systemrelevant“ und waren somit in den Lockdowns geöffnet. Persönliche Sitzungen sind trotz Sicherheitsvorkehrungen aber drastisch zurückgegangen, wie eine Studie der Donau-Universität Krems und des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP) zeigt: Vor der Pandemie fanden im Schnitt 13,5 Sitzungen pro Woche in der Praxis statt, jetzt sind es nur noch 2,6. Diesen Einbruch konnte die telefonische oder digitale Therapie-Option nicht kompensieren, obwohl sie 90 Prozent der 1800 befragten Therapeuten anbieten. Die durchschnittliche Anzahl von Tele-Therapiesitzungen pro Woche stieg immerhin von 0,6 auf 7,5.

Wenige Kinder nutzen die Option

„Eine ganze Stunde zu telefonieren kann oft zu viel sein“, sagt Barbara Haid, Studienautorin und Präsidiumsmitglied im ÖBVP, zur „Presse“. Deshalb können die Einheiten halbstündig abgerechnet werden. „Das ist vor allem bei Therapien mit Kindern gut, weil es da auf die Distanz nicht so gut funktioniert“, sagt Haid. Da gehe es dann eher um Überbrückung.

Jugendliche nutzen hauptsächlich Videochats, ältere Erwachsene telefonieren meist lieber altmodisch. Problematisch ist die Situation vor allem für jene Patienten, die zu Hause Gewalt erleben. „Da ist es oft schwierig, dass sie einen ruhigen Raum finden. Ein Jugendlicher nutzte vorübergehend die Tele-Therapie und ging dafür meistens spazieren, ein anderer versteckte sich im Badezimmer“, sagt Haid. Dauerlösung sei die Tele-Option keine, der ÖBVP hofft aber, dass sie nach der Pandemie weiterhin erlaubt ist. So könnten zum Beispiel Studenten im Auslandssemester mit ihrem Therapeuten zuhause in Kontakt bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2021)

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