Ausblick 2021

Neue Trends und alte Bekannte

Hanjin Containerschiff Containerverladung Containerbruecken Containerkraene Caontainerschiff Cont
Hanjin Containerschiff Containerverladung Containerbruecken Containerkraene Caontainerschiff Contimago/ Hans Blossey
  • Drucken

Corona hat die Lieferketten unter Druck gesetzt, zusammengebrochen sind sie aber nicht. Beschleunigt wurde der Trend zur Digitalisierung, Nachhaltigkeit in der Transportlogistik bekommt mehr Gewicht.

Kilometerlange Staus an den Grenzen, leere Supermarktregale, Fließbänder, die stillstehen: Die schlimmsten Befürchtungen, die im Vorfeld der Corona-Shutdowns zu vernehmen waren, haben sich – sieht man von den aktuellen Problemen an der deutschen Grenze ab – nicht bewahrheitet. Dennoch sind die Warenflüsse zeitweise ernsthaft ins Stocken geraten. „Vor allem im Bereich Pharma und Medizintechnik, deren Produktionsstätten vornehmlich in Asien angesiedelt sind, hat sich in der Covid-Krise deutlich gezeigt, wie verletzlich die Lieferketten sind“, sagt Andreas Breinbauer, Leiter der Studiengänge Logistik und Transportmanagement an der Fachhochschule des BFI Wien.

Knapper Frachtraum

Von einer Normalisierung kann – vor allem was die Transporte zwischen Asien und Europa betrifft – auch heute keine Rede sein, ganz im Gegenteil: „In allen Bereichen herrscht Mangel an Frachtraum, nicht nur aufgrund der stärkeren Nachfrage aus Europa, sondern auch weil bei der Seefracht künstlich, in der Luftfracht unfreiwillig Kapazitäten herausgenommen wurden“, berichtet Breinbauer. Die Folge ist eine nie dagewesene Kostenexplosion. Breinbauer veranschaulicht das am Beispiel der Seefracht: „Während ein 40-Fuß-Container (FEU) auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise im Juni 2009 lediglich zwischen 100 und 150 US-Dollar kostete, waren es im China-Europa-Verkehr im März 2020 rund 1400 US-Dollar. Derzeit jedoch werden bis zu 8000 US-Dollar bezahlt, mancherorts sogar fünfstellige Beträge.“ Ähnlich bei der Luftfracht, wo die coronabedingte Streichung Tausender Flüge ebenfalls zu einer massiven Verknappung des Frachtraums geführt und die Preise zeitweise auf das Zehnfache des Normalpreises getrieben hat. Selbst die Bahnfrachtverkehre zwischen Asien und Europa gerieten laut Breinbauer an ihre Grenzen, obwohl neue Routen implementiert wurden.

Logistikdienstleister, die in den genannten Bereichen unterwegs waren, gehören zweifellos zu den Krisengewinnern, da mit höheren Preisen höhere Margen verbunden sind. Das gilt auch für Paketdienste, die vom boomenden Onlinehandel profitieren konnten. Andere Bereiche wie die Automobillogistiker oder Logistikdienstleistungen für Hotel- und Gastronomie würden hingegen weiterhin mit teilweise erheblichen Nachfragerückgängen kämpfen, weiß Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transport und Logistik an der Wirtschaftsuniversität Wien. Als „eindeutigen Krisenverlierer“ sieht Kummer die Bahn: „Sie leidet auch im Güterverkehr unter deutlichen Nachfragerückgängen und trotz aller politischen Bemühungen ist eine Erholung noch länger nicht in Sicht.“ Für den Straßengüterverkehr fällt seine Bilanz gemischt aus: „Es gab zum Teil Preiskämpfe und ein niedriges Preisniveau, allerdings auch niedrige Dieselpreise und bis auf Grenzwartezeiten weitestgehend freie Fahrt, wenngleich die Arbeitsbedingungen während des Lockdowns für Langstreckenfahrten extrem schlecht waren.“
Herausfordernd für Logistikdienstleister und die Transportwirtschaft werde das heurige Jahr ebenfalls, betont Kummer: „Die Risken liegen nicht nur in Nachfrageschwankungen, sondern auch in Insolvenzen von Kunden, Lieferanten und Partnerunternehmen.“ Mit einer besseren Planbarkeit rechnet er nicht vor Mitte des Jahres, wenn man die Pandemie (hoffentlich) besser im Griff haben wird.

Schub für Digitalisierung

Einen weiteren Schub dürfte Covid-19 der Branche in Sachen Digitalisierung verleihen. Kummer verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel der jungen Berliner Digitalspedition Sennder, die vor Kurzem problemlos 160 Millionen Dollar an zusätzlichem Wagniskapital einsammeln konnte. Für Breinbauer ist die Digitalisierung sogar zum wichtigsten Zukunftsthema avanciert: „Die Logistikdienstleister erwarten sich davon eine Beschleunigung der Transportketten, Zeitersparnis, Kostenreduktion, via Robotik körperliche Entlastungen der Mitarbeiter und natürlich einen Wettbewerbsvorteil, weil Digitalisierungsfortschritte vor allem durch die Endkunden getrieben werden.“ Weiter beschleunigen werde sich auch der Trend zur Nachhaltigkeit, geben sich die Experten überzeugt. „Die Initiativen der EU für einen grünen Neustart gehen in diese Richtung, und dies ist nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht zu begrüßen“, meint Kummer. Breinbauer wiederum verweist auf ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Infrastrukturpaket im Ausmaß von 80 Milliarden US-Dollar, das China 2020 für die Post-Covid-Zeit geschnürt hat. „Für österreichische Logistikdienstleister sollten nachhaltige Transporte somit ein tolles zukünftiges Geschäftsfeld sein.“

Globale Lieferketten bleiben

Skeptischer gibt er sich beim Thema Re-Regionalisierung: „Die wird es vielleicht in jenen Produktbereichen geben, die als existenziell gesehen werden, wie die Medizintechnik oder Pharma.“ Es sei abzusehen, dass Asien wie 2008/09 als Gewinner aus der Krise hervorgehen werde und europäische Unternehmen dort wahrscheinlich noch mehr als heute ihren Hauptabsatzmarkt finden und dementsprechend nicht ihre Produktionsstandorte zurückfahren würden, so der Experte. „Ich denke aber, dass das sinnlose Herumführen von Agrarprodukten kontinental oder sogar weltweit seinen Zenit erreicht hat.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.