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Impfpass statt Reisepass

Es war einmal, die Älteren können sich vielleicht noch erinnern, als wir quer durch die Weltgeschichte gefahren sind.

Tourismus hieß das Konzept, nur dass man sich selbst nie als Tourist bezeichnet hätte, eher als Reisender. Um seine Weitgereistheit anständig zu bezeugen, stellte man im Wohnzimmerregal die dazugehörigen Ausgaben des „Lonely Planet“ in die erste Reihe. Damit die Besucher – die Jüngeren kennen das nicht mehr – bestaunen, in welchen Weltgegenden man sich schon herumgetrieben hat. (Und das sehr dezent, man musste nicht einmal prahlen, die Buchrücken im Blickfeld reichten.) Schade, dass man Reiseführer heute kaum mehr verwendet, denn Wikivoyage-Artikel aus dem Internet lassen sich halt nicht dekorativ ins Regal stellen. Immerhin, den Reisepass kann man immer noch unauffällig am Couchtisch liegen haben, damit vielleicht jemand durchblättert und angesichts all der Stempel und Visa anerkennend nickt. Allein, momentan könnte man sich maximal einen Stempel aus dem Gipfelbuch eines Wiener Hausbergs in den Pass knallen. Aber vielleicht kommt ja mit dem Impfpass bald ein neues Statussymbol: Zwei Pickerl für AstraZeneca? Nicht schlecht, aber schau mal, ich hab zwei von Pfizer! Notiz an mich selbst: Bei „Lonely Planet“ nachfragen, ob es schon einen Führer „Der Weg zur Impfung“ gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2021)

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