Glawischnig als Parteichefin bestätigt: "Wut im Bauch"

Glawischnig Parteichefin bestaetigt Bauch
Glawischnig Parteichefin bestaetigt Bauch(c) APA/MARKUS LEODOLTER (MARKUS LEODOLTER)
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Mit 96 Prozent wird Eva Glawischnig wiedergewählt. Sie verspricht Volksnähe und Statutenreform, aber auch die Grünen insgesamt müssten "schärfer und emotionaler werden", forderte die Parteichefin.

Graz. Die Erleichterung ist spürbar. Mit einem Satz katapultiert sich Eva Glawischnig Sekundenbruchteile nach Verkündung des Abstimmungsergebnisses aus ihrem Sessel in der ersten Reihe. Mit winkenden Armen bedankt sie sich für die Standing Ovations der Delegierten. 216 davon haben ihr bei ihrer Wiederwahl zur Bundessprecherin der Grünen beim Bundeskongress am Sonntag in Graz ihre Stimme gegeben.

Die 96 Prozent liefern nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen vor allem in der Wiener Landesgruppe das gewünscht deutliche Signal der Geschlossenheit. Glawischnig selbst bezeichnet das Votum – nach den 97 Prozent 2009 – als ein „neuerliches Geschenk“. Ob die 80 Prozent, die sie im Vorfeld als Mindestziel genannt hatte, nicht eine kalkuliert niedrig Latte waren? „Nein, das waren auch unter Alexander Van der Bellen normale Ergebnisse“, relativiert Glawischnig gegenüber der „Presse“: „Das ist die grüne Welt.“ – In der sich mittelfristig aber etwas ändern soll. Glawischnig wiederholt ihre Ankündigung einer Statutenreform beim nächsten Bundeskongress 2011. Auch inhaltlich will sie auf die intern laut gewordene Kritik reagieren: „Wir müssen schärfer und emotionaler werden“, meint die Grünen-Chefin, „mehr Zuspitzung, mehr Verständlichkeit und mehr Nähe zu volksnahen Formulierungen“. Das Wahlergebnis werte sie als Bestätigung für diese Kurskorrektur – und sie fordert auch einiges vom Parteiapparat. „Wir müssen Politik mit mehr Wut im Bauch machen, denn in der Wut steckt viel Kreativität“, redet Glawischnig in ihrem rund halbstündigen Auftritt den Funktionären ins Gewissen.

„Fekter drauf – Strache drinnen“

Die Wut der Grünen-Chefin äußert sich an diesem Tag in scharfer, jedoch eher erwarteter als kreativer Kritik an der Bundesregierung. Die Koalitionspartner nimmt sie dabei ziemlich ausgeglichen ins Visier. Bundeskanzler Werner Faymann und die SPÖ hätten jegliche Glaubwürdigkeit verloren und würden sich nur noch im „Umfallen“ üben. Es gebe nur noch „nacktes Posieren statt Inhalte“, kritisiert Glawischnig. ÖVP-Finanzminister Erwin Pröll wiederum verstecke sich hinter einer verqueren Definition von Leistungsträgern zu Lasten jener, die von seiner Einsparungspolitik tatsächlich betroffen sind. „Wo Fekter drauf steht, ist Strache drinnen“, geißelt Glawischnig später noch die fehlende Distanzierung von der FPÖ. Spitz fällt auch die direkte Kritik an den „rechten Hetzern“ (Glawischnig) aus, deren Thesen „auf einen Abgrund zusteuern“: „Dieser Abgrund heißt Auschwitz.“

Es sind sichere Applausbringer in einem grünen Kleinklima, dem die Verunsicherung nur langsam abhanden kommt. Die Selbstvertrauenstherapie gibt es bereits am Samstag. Inhaltlich durch das Hausthema „Energierevolution“, für das man sich Alternativ-Nobelpreisträger Hermann Scheer als Gastreferenten engagiert hatte; emotional durch ein geselliges abendliches Speed-Dating-Event in einem Grazer Innenstadtlokal, bei dem Spitzenfunktionäre zu Instantdialogen mit großteils nicht ganz parteifernen Personen abkommandiert waren.

Ein Rest Verunsicherung blieb bis zuletzt, festzumachen daran, dass die amtierende Bundessprecherin beteuern muss, „im Innersten eine echte Grüne zu sein“. Den Vorwurf der basisdemokratischen Zerfledderung dreht Glawischnig dagegen geschickt in Eigenlob. Die Grünen seien eben „keine Armee gleichgeschalteter Parteisoldaten“, sondern eigentlich „die einzige demokratische Partei, weil keine Mandate angeboten und verschenkt werden“, spielt sie auf den fliegenden Wechsel von Bundesrat Stefan Schennach zur SPÖ an.

„Unglaublich daneben“

Der Name des Überläufers wird an diesem Vormittag nie ausgesprochen. Auch von Maria Vassilakou nicht, die in ihrem Bewerbungsreferat zur Wiederwahl in den Bundesvorstand nur am Rande erwähnt, dass sie es „für unglaublich daneben hält, wenn Menschen gehen, weil sie ein Mandat nicht bekommen und dann über die Grünen Horrormärchen erzählen“. Vassilakou bleibt (im Vorstand): Sie schafft 84,9 Prozent.

AUF EINEN BLICK

Wiederwahl. Eva Glawischnig wurde beim Bundeskongress der Grünen mit 96 Prozent als Parteichefin bestätigt. Ebenfalls wieder in den Bundesvorstand gewählt wurden Maria Vassilakou (84%) und Wiens Gemeinderätin Sigrid Pilz (88%). Spannung kam bei der Wahl der beiden männlichen Vorstandsmitglieder auf. Peter Pilz schlug in einer Stichwahl den Vorarlberger Landeschef Johannes Rauch um nur eine Stimme. Auch Rauch zieht als Nummer 2 aber wieder in das Führungsgremium ein. Finanzreferent Andreas Parrer kam auf 94Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2010)

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