Medizin

Spielend das eigene Gehirn besser steuern

Die Elektroden für das Spiel sollen in eine Baseballkappe passen.
Die Elektroden für das Spiel sollen in eine Baseballkappe passen. [MyMind GmbH]
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Ein Wiener Unternehmen entwickelt ein digitales Trainingsspiel, das auch Kindern mit Autismus oder ADHS helfen soll, sich zu konzentrieren und zu entspannen. Es funktioniert über Neurofeedback mit Elektroden am Kopf.

Gute Ideen werden oft aus der Notwendigkeit geboren, die man erst erkennt, wenn man selbst betroffen ist. So entstand auch das Neurofeedback-Training aus dem Hause MyMind, das für Konzentration und Entspannung sorgt.

Die Idee hatten Christof Götz und Christine Hartlieb-Götz, deren Tochter im Alter von 4,5 Jahren im autistischen Spektrum diagnostiziert wurde. „Sie hatte Probleme mit dem Schlafen und Meltdowns, das sind Kontrollverluste aufgrund einer Reizüberflutung“, erzählt Christof Götz. Er fand Studien über Neurofeedback, also Methoden, die einem Abläufe im eigenen Gehirn bewusst machen können.

Meist funktioniert das über Elektroden, wie man sie vom EEG kennt, die an der Kopfoberfläche die Gehirnaktivität messen. Götz fand darin Ansätze, die mentale Fähigkeiten wie Konzentration und Entspannung bei Kindern stärken sollen. „Ich konnte mich mit der Med-Uni Wien und an der TU Wien mit Biomedical-Engineering-Studierenden vernetzen, sodass wir bald ein Konzept für ein Computerspiel hatten“, so Götz, selbst Wirtschaftsinformatiker.

Wichtig war, dass die Messung der elektrischen Signale auf dem Kopf so angenehm wie möglich erfolgt: Die Entwicklung startete mit einer einzelnen Elektrode, die auf den Kopf platziert und mit einem Band fixiert wird. Die dort gemessene Gehirnaktivität steuert im Trainingsspiel „Brain Hero“ eine Figur, die bei steigender Gehirnanstrengung des Nutzers hinauf und bei sinkender hinunter wandert. Es ist ein Jump-and-Run-Spiel, das statt über Tasten nur mit dem Zustand des Gehirns gesteuert wird.

Eigene Tochter und Freunde

„Im Sommer 2018 hat unsere Tochter begonnen, regelmäßig zu spielen. Die Ergebnisse haben uns alle überrascht“, sagt Götz. Es kam zu vermehrtem Augenkontakt, die Meltdowns wurden weniger und in der Schule fiel Besserung auf: Vieles in der sozialen Interaktion wurde leichter.

Das junge Unternehmen MyMind mit Sitz in Wien ging dann mit finanzieller Unterstützung der Austria Wirtschaftsservice (AWS) und der Wirtschaftsagentur Wien den nächsten Schritt und ließ andere Kinder aus dem Bekanntenkreis mit „Brain Hero“ spielen. „Die positiven Effekte überzeugten uns, weiterzumachen“, sagt Götz.

Während das Basis-Spiel nun schon als allgemeines Neurofeedback-Training zur Konzentration und Entspannung nutzbar ist, zielt das Team nun auf ein Medizinprodukt, das aktuell speziell für Autismus, ADHS und andere psychologische Beeinträchtigungen zertifiziert wird.

Derzeit laufen Studien zur Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit. „Da geht es auch um die Handhabung und darum, wie wir die Anleitung gestalten: Es ist ja nicht einfach, ein EEG zu Hause zu verwenden.“ Eltern und Kinder sollen es problemlos anlegen können: Geplant ist, das vollständige EEG in einer Baseball-Kappe unterzubringen.

Der nächste Schritt wird eine klinische Studie mit bis zu 400 Kindern, die unterschiedliche Beeinträchtigungen haben. „Es hat ja jeder etwas anderes, und viele haben eine Kombination von mehreren Diagnosen“, erklärt Götz. Für eine aussagekräftige Statistik benötigt man in solch vielfältigen Gruppen wirklich viele Testpersonen. Im Endeffekt soll so eine neue Trainings-App gestalten werden, die als „personalisiertes Neurofeedback“ medizinisch zertifiziert ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2021)

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