Rechnungshof

Ärgernis Grundversorgung

 Der Rechnungshof hat den Umgang mit der Grundversorgung in Wien geprüft.
Der Rechnungshof hat den Umgang mit der Grundversorgung in Wien geprüft.(c) imago images/CHROMORANGE (CHROMORANGE / Weingartner via www.imago-images.de)
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Die Prüfer üben Kritik am Unwissen über die Gesamtkosten, an Doppelgleisigkeiten und Kontrolldefiziten.

Wien. „Die Gesamtkosten für die Grundversorgung in Österreich waren nicht bekannt. Keine Stelle hatte den Überblick über die tatsächlichen Gesamtkosten der Grundversorgung. Bund und Länder hatten auch nicht vereinbart, diese zu erheben.“

Diesen beunruhigenden Befund, einen für Steuerzahler sehr beunruhigenden, hat ein unabhängiges Kontrollorgan erstellt. Der Rechnungshof hat den Umgang mit der Grundversorgung in Wien geprüft, was Gewährung, Auszahlung, Kontrolle und Missbrauch betrifft.

Am Freitag wurde der Bericht vorgelegt, wobei sich auch gesamtösterreichische Erkenntnisse ergaben. Auf 138 Seiten ist da zu lesen, wie groß das Verbesserungspotenzial ist. Zahlreich sind die Missstände, die die Prüfer festgestellt haben: Doppelgleisigkeiten, fehlende Informationsweitergaben zwischen den mit den Fällen befassten Stellen sogar in Wien selbst, aber auch zwischen dem Bund (Innenministerium) und den Ländern, Unklarheiten im Vollzug und Kontrolldefizte.

Die Grundversorgung ist für jene konzipiert, die einen Asylantrag in Österreich gestellt haben, deren Verfahren aber noch nicht beendet ist; danach steht sie in den ersten vier Monaten nach der Anerkennung Asylberechtigten weiter zu; und auch allen, die keinen Asylstatus erhalten haben, aber nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können (weil es beispielsweise kein zwischenstaatliches Abkommen gibt).

In Wien können sowohl Grundversorgung als auch Mindestsicherung bezogen werden. Für die Beurteilung, ob die Bedingungen dafür auch erfüllt werden, müssen dieselben Informationen – wie beispielsweise Einkünfte, Auslandsaufenthalte, Familienstand – erhoben werden.

Und was wird in Wien gemacht? Der Fonds Soziales Wien und die MA 40 erheben diese Informationen völlig eigenständig und auf unterschiedlichen Wegen für sich selbst – als ob sie voneinander nichts wüssten oder nichts wissen dürften.

Der Rechnungshof stellt lapidar fest: „Es war daher – wie ein Stichprobenfall zeigte – nicht ausgeschlossen, dass für die Bemessung des Leistungsanspruchs relevante Sachverhalte zwar der einen, nicht aber der anderen Stelle bekannt waren.“

Wenn Asylwerber reisen

Nicht genug damit, für das In-Anspruch-Nehmen der Grundversorgung und der Mindestsicherung gab es unterschiedliche Regelungen, beispielsweise was die Vermögensfreibeträge betrifft. Ein sachlicher Grund für die Differenzen war zumindest für die Beamten des Rechnungshofs nach deren Angabe nicht ersichtlich.

Kritisch betrachtet wurden auch Auslandsaufenthalte von Beziehern der Grundversorgung. Denn laut Gesetz sei die nur „für Fremde im Bundesgebiet“ vorgesehen. Aber, wie der Rechnungshof ausführt: Einzelne vom Innenministerium gemeldete Auslandsaufenthalte seien dem Fonds Soziales Wien nicht bekannt gewesen. Es seien daher keine Versuche unternommen worden, „zu Unrecht ausgezahlte Gelder zurückzufordern“.

Die Prüfer empfahlen dem Fonds Soziales Wien sicherzustellen, dass er rechtzeitig über Auslandsaufenthalte von Personen in Grundversorgung erfährt, und regt Sanktionen bei Nichtmeldung durch Leistungsempfänger und engmaschige Termine bei der Servicestelle an. Und: „Bei bekannt gewordenen Auslandsaufenthalten von Personen in Grundversorgung wäre die Hilfsbedürftigkeit jedenfalls zu überprüfen, und es wären die erforderlichen Maßnahmen zu setzen.“ Zwischen 2015 und 2018 sind nach Angaben des Rechnungshofs 722 Personen dieser Gruppe ins Ausland gereist.

Einen dringenden Rat gibt der Rechnungshof der Politik noch über den Tag hinaus: Das Ministerium solle mit Ländern und Gemeinden ein Konzept hinsichtlich einer „effektiven und wirtschaftlichen Vorgehensweise“ entwickeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2021)

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