Dachwohnung

Dem Himmel so nah

Haus mit Garten auf dem Turm eines thailändischen Hochhauses.
Haus mit Garten auf dem Turm eines thailändischen Hochhauses.WARchitekt
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Ausbauten von Dachböden haben in Wien Tradition. Im Sinne der Nachverdichtung könnten aber auch Flachdächer als Basis für Eigenheime dienen.

Ein thailändischer Unternehmer macht es vor: Um das Flachdach seines fünfstöckigen Wohnhauses besser nutzen zu können, ließ er dort vom thailändischen Architekturbüro WARchitekt ein Einfamilienhaus errichten. Im Zentrum des Gebäudes befindet sich ein kleiner Hof mit einem Baum. Von diesem Hof kann man sich im Haus in alle Richtungen orientieren: Der vordere Teil besteht aus Essbereich, Wohn- und Schlafzimmer. Im hinteren Teil sind Badezimmer, Küche und Abstellraum integriert. „Wir wollten, dass es eine randlose Box ist, als ob die Dicke von Wand und Dach nicht vorhanden wäre“, beschreiben es die Architekten.

Lichte Höhen ...

Eine Idee, die grundsätzlich auch hierzulande Schule machen könnte. „Die Fantasie eines Einfamilienhauses, umgeben von großzügigen Grün- und Terrassenflächen, ist auf den bestehenden Dächern in Österreich durchaus realisierbar und lebbar. Oft ist es auch die einzige Möglichkeit, im verdichteten Wohngebiet noch eine Grünoase zu schaffen“, sagen Geschäftsführer Peter Krabbe und Bereichsleiter Bernhard Platter von Obenauf, einem auf Dachgeschoßausbauten in Holzbau als Modulsystem spezialisiertem Wiener Unternehmen. Schon allein wegen der sehr hohen Flächenversiegelungen in Österreich sei die vertikale Bebauung ein wichtiger Ansatz. Es könnten bestehende Infrastrukturen genutzt, vorhanden Ressourcen weiterverwendet und Co2-Emissionen reduziert werden, so Platter.

... starke Fundamente

Allerdings: „Die Gebäudestruktur muss die Umsetzung einer Dachaufstockung natürlich ermöglichen“, sagt Platter. Unter anderem werde dadurch die Statik des gesamten Hauses in Anspruch genommen, weiß Carita Merenmies, ehemalige Assistenzprofessorin am Institut für Raumgestaltung der TU Graz. Diese sei nicht immer dafür geschaffen, um Aufstockungen – sei es in Form klassischer Dachgeschoßausbauten, sei es als Einfamilienhaus auf dem Dach, durchzuführen. Kann das alte Gebäude die neuen Lasten nicht tragen, müsse es ertüchtigt werden, erklären Krabbe und Platter. So könnten Kompensationsmaßnahmen, wie etwa der Einbau einer Fundamentplatte oder Mauerwerksverfestigungen notwendig werden. Dies alles führe natürlich zu Baukosten, die mit denen eines Einfamilienhauses auf dem Land nicht zu vergleichen seien. „Die Technik dafür ist sehr komplex, das kann sehr teuer werden“, sagt auch Architektin Merenmies.

Und noch etwas geben Krabbe und Platter zu bedenken: Ein nicht zu unterschätzender Unterschied des „Grundstücks“ auf dem Dach im Gegensatz zum konventionellen Grundstück auf dem Land sei das Eigentumsverhältnis. „Auf dem Dach ist man meist Miteigentümer in einem Haus ,und man benötigt für eine mögliche Aufstockung die Zustimmung aller Eigentümer. Nur über ein umsichtiges Vertragswerk kann die Baumaßnahme auch problemlos abgewickelt werden“, wissen die Experten.

Knifflig: Baustellenlogistik

Eine andere Herausforderung sei neben dem behutsamen Umgang mit der bestehenden Bausubstanz meist der geringe Platz für Baustellenlogistik. „Die minimale Fläche für den Kran und die Lagerung von Baumaterial stellen uns immer wieder vor große Herausforderungen“, berichten Krabbe und Platter. Obenauf setze daher auf einen hohen Vorfertigungsgrad der Elemente aus Holz. Auf diesen natürlichen Baustoff setzt auch Cabin Spacey, ein Hersteller von Tiny Houses in Berlin. Den Traum vom Wohnen auf dem Dach in einem der Mikrohäuser habe sich im Vorjahr erstmals ein Kunde in Cloppenburg erfüllt. Derzeit konzentriere man sich jedoch ganz auf die Vermarktung der Häuser an Kunden mit regulären Baugrundstücken und die Entwicklung von Cabin Retreats, erklärt eine Unternehmenssprecherin.

Potenzial, um die vertikale Nachverdichtung zu forcieren und Wohnen auf den Dächern zu realisieren, gäbe es sowohl auf Gründerzeithäusern als auch auf Bauten aus den 1950–1970er-Jahren, sagen Krabbe und Platter. Passende gesetzliche und baurechtliche Rahmenbedingungen seien natürlich Voraussetzung für die Errichtung von Wohnungen und Häusern am Dach. Derzeit würde die Projektierung und Ausführung visionärer Projekte jedoch oft an der Baugesetzgebung scheitern.

Was Sie beachten sollten beim . . . Dachausbau

Tipp 1

Statik. Je höher ein Haus – und je schwerer der Ausbau mit Wohnung, vielleicht Dachgarten und Pool – werden soll, umso stärker müssen die Fundamente sein. Auch bei robusten Gründerzeithäusern muss das Mauerwerk oft verstärkt werden, bei älteren Bauten oft tiefe Keller verfüllt. Jüngere Häuser sind oft weniger stabil, was aber immer im Einzelfall zu prüfen ist.

Tipp 2

Form. „Drunter oder drüber“ lautet die Frage, die in Wien traditionellerweise mit „drunter“ gelöst wird – also unter dem Dach bzw. unter einem höher gesetzten neuen Dach. Darauf sind bisher auch alle gesetzlichen Bestimmungen ausgelegt, wodurch ein Häuschen auf dem Dach schwerer umzusetzen ist und mitunter ganz daran scheitert, besonders bei visionären Projekten.

Tipp 3

Strategie. Auch bei traditionellen Dachausbauten kommen immer mehr große Elemente mit Vorfertigung zum Einsatz, etwa aus Holz oder Stahl. Präzise Teile finden so schnell ihren Platz und ermöglichen effektive Logistik, ein großer Vorteil bei beengten Baustellen. Auch bei Bauten auf dem Dach sind Fertigteil-Lösungen gefragt, etwa spezielle „Tiny Houses“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2021)

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