Der US-Zerstörer USS Ross in der Meerenge, April 2019.
„Shipspotter“

Der Wächter am Bosporus

Was sich im Bosporus abspielt, der Meerenge zwischen Europa und Asien bei Istanbul, wirkt sich weit über die Region hinaus aus. Da ist sich Yörük Işık sicher: Er ist Stammgast auf den Fähren und beobachtet vorbeifahrende Schiffe als „Shipspotter“. So sieht er sogar quasi in die Zukunft.

Ein Fährschiff gleitet an die Mole von Rumeli Kavaği, die letzte Anlegestelle am europäischen Ufer des Bosporus. Der Matrose wirft ein Tau nur locker um den Poller, denn die Fähre wird gleich wieder ablegen zur Rückfahrt.

Yörük Işık beeilt sich, an Land zu kommen – nur um dort seine Fahrkarte in das Drehkreuz zu stecken und sofort wieder an Bord zu klettern. Işık ist praktisch Stammgast auf den Bosporus-Fähren, doch er versäumt es nie, die etwa 50 Cent zu bezahlen, die eine Fahrt durch den Bosporus kostet – einmal vom Marmarameer bis zum Schwarzen Meer oder umgekehrt. Man bedenke, was er für das Fahrgeld bekomme, sagt der vierschrötige Mittvierziger, während er keuchend die enge Schiffstreppe erklimmt und sich an der Reling postiert: Von hier aus könne er beobachten, „was in der Welt geschieht und was demnächst geschehen wird“. Die Weltenläufe sind von dieser Reling aus zu sehen – man muss sie nur erkennen und verstehen.

Yörük Işık ist dafür gut ausgerüstet. Warm eingepackt gegen den eisigen Seewind, trägt er um den Hals gehängt eine Kamera mit ellenlangem Objektiv, um die Schiffe in der etwa 700 bis 3400 Meter breiten und 30 Kilometer langen Meerenge heranzoomen zu können. In der Hand hält er ein Smartphone mit einer App zur Satellitenverfolgung von Schiffen, die er sogleich öffnet, um das nächste Schiff zu identifizieren, bevor es in Sicht kommt. „Hier sind wir, und da kommt das Schiff – die General Aslanov, ein Frachter unter aserbaidschanischer Flagge“, erklärt er die Grafik auf dem Bildschirm, bevor er die Kamera hebt und das nahende Schiff in den Sucher nimmt. „Wahrscheinlich ein normaler Frachter, aber ich mache mal ein Foto, man kann nie wissen.“

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