Diplomatie

Fall Nawalny: Der EU-Spagat zwischen Sanktionen und Dialog

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BELGIUM-EU-DIPLOMACYAPA/AFP/POOL/YVES HERMAN
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Einreiseverbote, Einfrieren von Finanzmittel: Die EU bereitet wegen der Verurteilung von Alexej Nawalny neue Sanktionen gegen vier Russen vor. Das unterstützt auch Österreich.

Die EU bringt wegen der Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny neue Russland-Sanktionen auf den Weg. Die Außenminister der EU-Staaten einigten sich am Montag bei einem Treffen in Brüssel darauf, mit den notwendigen Vorbereitungen für die Strafmaßnahmen zu beginnen, wie mehrere Diplomaten bestätigten. Die EU will demnach vier russische Verantwortliche mit Sanktionen wegen des Vorgehens gegen Nawalny belegen.

Verhängt würden Einreiseverbote sowie das Einfrieren von Finanzmitteln. Betroffen seien der Chef des Ermittlungs-Komitees, der Direktor der Gefängnisse, der Direktor der Nationalgarde und der Generalstaatsanwalt.

Vor dem Treffen in Brüssel hatten sich bereits der deutsche Außenminister Heiko Maas und mehrere seiner EU-Kollegen dafür ausgesprochen, Strafmaßnahmen vorzubereiten. Sie warben aber zugleich dafür, den Dialog mit Moskau nicht abreißen zu lassen.

"Ich erwarte mir ein grünes Licht heute auf politischer Ebene zu weiteren Sanktionen gegen Russland, gegen Personen im Justizapparat, im Polizeiapparat, die unmittelbar verantwortlich sind für den Umgang" mit dem russischen Oppositionellen Alexej Nawalny, sagte Österreichs Außenminister Schallenberg vor dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel.

Dass Sanktionen gegen Russland "zahnlos" seien, glaube er nicht. Wenn dies der Fall wäre, würde Moskau nicht mit Drohungen antworten, so Schallenberg gegenüber Journalisten. Einerseits versuche man mit Sanktionen eine "Verhaltensveränderung" herbeizuführen, anderseits setze man ein "klares Signal, dass wir eine Maßnahme, eine Politik" ablehnen.

Urteil gegen Nawalny neuer Anlass für Sanktionen

Maas verwies darauf, dass die EU schon nach der Vergiftung Nawalnys im Sommer mit Sanktionen reagiert habe. Die Mitgliedstaaten hätten damit deutlich gemacht, dass sie nicht bereit seien, "den Bruch internationalen Rechts zu akzeptieren". Nun gehe es darum, dass Nawalny nach seiner Rückkehr nach Russland zu einer Haftstrafe in einem Straflager verurteilt worden sei.

Diplomaten zufolge wollen die Außenminister einen politischen Grundsatzbeschluss zu neuen Sanktionen fassen. Konkret sollen die Strafmaßnahmen erst später ausgearbeitet werden. Die EU wolle dabei erstmals ihr neues Sanktionsregime zu Menschenrechtsverletzungen nutzen, sagte die schwedische Außenministerin Ann Linde in Brüssel. Betroffene würden dabei mit Einreiseverboten und dem Einfrieren ihrer Vermögen in der EU bestraft.

Borrell-Besuch in Russland „grundsätzlich richtig"

Zu dem umstrittenen Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell erklärte Schallenberg: "Grundsätzlich glaube ich, dass es richtig war, den Dialog fortzusetzen und nach Moskau zu fahren." Mit Blick auf die Ausweisung von drei EU-Diplomaten während des Besuchs kritisierte er Moskau scharf. "Das ist kein Umgang unter Partnern, mit dem man eine enge Beziehung pflegt, und das wird sicher ein Nachspiel haben, auch im Sinne der von mir befürwortenden Sanktionsschritte."

Nawalny selbst und das Europaparlament hatten gefordert, dass die EU auch Präsident Wladimir Putin nahestehende Oligarchen auf die Sanktionsliste setzt. Dies gilt aber als unwahrscheinlich. In Brüssel wird darauf verwiesen, dass Sanktionsbeschlüsse auch einer Anfechtung vor Gericht standhalten müssten und eine direkte Verantwortung von Oligarchen für die Inhaftierung Nawalnys kaum nachgewiesen werden könne.

Es sei klar, dass die Beziehungen zu Moskau "sicherlich an einem Tiefpunkt angelangt sind", sagte Maas. Er plädierte aber weiter für einen Dialog. "Wir brauchen Russland, um viele internationale Konflikte beizulegen", sagte er.

Zweites großes Thema wird das Iran-Abkommen sein

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verwies auf die Bemühungen, die USA zu einer Rückkehr in das Atomabkommen mit dem Iran zu bewegen. Wenn sich sogar Washington und Teheran wieder aufeinander zubewegten, müsse es auch für die EU und Moskau möglich sein, "einen normalen Dialog" zu führen, sagte er.

Es sei klar, "dass Russland auf Konfrontationskurs mit der Europäischen Union ist", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Er war Anfang Februar nach Moskau gereist. Noch während seiner Visite wies die russische Regierung drei Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden aus, weil sie angeblich an Protesten zur Unterstützung Nawalnys teilgenommen hatten. Die EU wertete dies als beispiellosen Affront und die Visite Borrells als Demütigung ihres Chefdiplomaten.

(APA/AFP)

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