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Coronaler Empörungsnachschub für Auf- und Abwiegler

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TeststationAPA/HANS PUNZ
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Vor einem Jahr war Corona noch kein Thema. Ein Jahr und mehrere Lockdowns später empört man sich eifrig – nicht über das Virus, sondern über die Maßnahmen.

Wissen Sie noch, was Sie genau heute vor einem Jahr gemacht haben, als Corona bereits vor unser aller Haustür lauerte – und trotzdem Lichtjahre weit weg erschien? Ich war am 23. Februar auf einem Familien-Halligalli, auch die italienische Verwandtschaft war da. Wir küssten und herzten uns. Corona? Kein Thema. Dabei hatte Italien an diesem Tag bereits strenge Sicherheitsmaßnahmen verhängt, Schulen, Universitäten, Museen und Theater geschlossen. Zwei Tage später wurden die ersten zwei Fälle in Tirol publik, am 16. März sperrte auch Österreich zu. Nun, 129 Verordnungen, 31 Erlässe und 38 Bundesgesetze später, steckt das Land im dritten Lockdown.

Britische, brasilianische und südafrikanische Varianten sind heimisch geworden, eine finnische Mutation befindet sich angeblich im Landeanflug. Trotzdem geht es impftechnisch eher gemütlich zu. Erst 301.186 Menschen (3,88 Prozent der „impfbaren“ Bevölkerung) haben die erste Dosis gekriegt, gar nur 197.290 ältere Menschen (inklusive ein paar vordränglerischer Amtsträger) das für einen vollständigen Impfschutz nötige zweite Jaukerl. Für junge Menschen, in deren Altersgruppe Depressionen und Suizide besonders rasant ansteigen, heißt es leider: bitte warten. Bis wann? Hm.

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»Selbst nach Abzug allfälliger Schwankungsbreiten und Ungenauigkeiten ist die Todesrate verdammt hoch.
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Andrea Schurian

Bisher sind (Stand: 19. 2.) in Österreich 8358, weltweit knapp 2,4 Millionen Menschen an, mit, trotz oder wegen Corona gestorben. Selbst nach Abzug allfälliger Schwankungsbreiten und statistischer Ungenauigkeiten, mit der Zahlenzweifler gern Einzelbeispiele zum großen Ganzen aufblasen, ist die Todesrate verdammt hoch. In Italien, wo allein in der Gegend um Bergamo zwischen Ende Februar und Ende März 2020 um 568 Prozent mehr Tote registriert wurden als im Jahr davor, gehen Angehörige gegen das mutmaßliche Versagen der Behörden gerichtlich vor: Lebensrettende Maßnahmen seien aus wirtschaftlichen Überlegungen zu spät getroffen worden, die Industriellenvereinigung Confindustria habe massiv interveniert. Wirtschaft vor Gesundheit, das wünschten sich Utilitaristen auch in und für Österreich. Zwar brächte ein Kollaps des Gesundheitssystems die Wirtschaft genauso zum Erliegen wie ein Lockdown. Aber, hey, ist nicht sowieso jede Grippewelle ärger und das Leben prinzipiell lebensgefährlich?

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