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Der belgische Familienberuf Politiker

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Die Partikratie kontrolliert in Belgien fast alle Lebensbereiche und lukrative Posten: nicht durchwegs zum Wohle des Landes, gelinde gesagt.

Vorigen Freitag starb, mit 79 Jahren, Léopold Lippens, der Bürgermeister des belgischen Badeorts Knokke. Fast 42 Jahre lang war er das gewesen, und auch schon seit Vater hatte die Stadt 20 Jahre lang als Bürgermeister geführt. Knokke müsste eigentlich „Lippensstad“ heißen, denn bereits Ende des 18. Jahrhunderts war es ein Lippens (Philippe-François), der mit der Verwaltung des Marschlandes beauftragt wurde. Das lukrativste so entstehende Bauland sicherte sich der Ur-Lippens selbst, daraus wurde die Compagnie du Zoute, die seit 1908 diesen sich für mondän haltenden, de facto aber gräulich verbauten Badeort „entwickelt“.

Der Fall Lippens illustriert ein Phänomen, das speziell belgisch ist: jenes der Politikerdynastien. Die gibt es beiderseits der Sprachgrenze: Premierminister Alexander De Croo ist Sohn eines mehrfachen Ministers und belgischen Parlamentspräsidenten. Der Staatssekretär für Digitalisierung, Mathieu Michel, ist Sohn des in Österreich seit den Sanktionen des Jahres 2000 besonders populären früheren Außenministers Louis, und Bruder des vormaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten des Europäischen Rats, Charles. Präsident des Europäischen Rats war auch schon ein anderer Belgier, Herman Van Rompuy. Der hat einen Bruder Eric, der jahrzehntelang ein Schwergewicht der flämischen Christdemokratie war, aber auch eine kommunistische Schwester namens Tine, die bei der marxistischen PVDA ist. Und so weiter, und so fort.

Wieso ist Politik in Belgien ein Familienberuf? Ein Grund liegt in der überdimensionierten Bedeutung der Parteien. „Partikratie“ nennt sich das. Bis hin zu den Krankenversicherungen kontrollieren sie viele Lebensaspekte und lukrative Posten, und damit viele Möglichkeiten, in das System einzusteigen. Gut ist das für Belgien nicht, und der Fall Lippens veranschaulicht das: Als Bürgermeister war er für Flächenwidmungen zuständig, von denen die Compagnie du Zoute profitierte – die wiederum er jahrzehntelang führte.

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