Netflix-Serie

"Tribes of Europa": Apfelbäckchen in der Dystopie

(c) Netflix/Gordon Timpen
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Die Kernidee von "Tribes of Europa" ist originell: Europa ist in Stammeskulturen zerfallen. Insgesamt bleibt die deutsche Science-Fiction-Serie aber oberflächlich.

Woran erkennt man Böse wichte? In der deutschen Netflix-Serie  "Tribes of Europa" eindeutig am Stil: enge Lederkleidung, lange Haare, schwarze Fingernägel und viel Eyeliner in den bleichen Gesichtern. Sie leben in der Stadt, ihr Hauptquartier ist ein Betonbunker, erleuchtet von Neonröhren. Auf einer schwarzen Ledercouch schmusen leicht bekleidete junge Frauen. Und woran erkennt man die Guten? Sie tragen Kleidung in warmen Braun- und Blautönen, Perlen im Haar, und ihre Wangen haben einen gesunden apfelroten Glanz. Ihr Zuhause ist ein Dorf aus Glaskuppeln mitten im Wald.

Wer gut und wer böse ist, sieht man auf den ersten Blick: hier die Gothics, da die Hippies. Die Serie will es den Zusehern leicht machen, nicht wie bei der Vorgängerserie von Philipp Koch: Beim kryptischen "Dark" musste man grübeln, was wie und wann womit zusammenhängt.

Wo "Dark" in die Tiefe ging, geht "Tribes of Europa" in die Breite. In dieser düsteren Zukunftsversion sind Europas Grenzen nach einem Blackout zerbrochen. Die Menschen leben in Stämmen, genannt "Tribes". Die Hippies im Wald nennen sich Origines (sprich: "Oridschinis"), wollen im Einklang mit der Natur leben und wiederholen gern ihr Motto "Alles Leben ist eins". Zu ihnen gehören die drei Hauptfiguren, die Geschwister Kiano (Emilio Sakraya), Liv (Henriette Confurius) und Elja (David Ali Ra shed). "Wir drei bleiben immer zusammen", versprechen sich die Geschwister zu Beginn der ersten Folge. An deren Ende sind sie getrennt. Denn ein Flugzeug ist im Wald abgestürzt, mit einem geheimnisvollen, blau leuchtenden Würfel an Bord. Diesen will der Stamm der Crows (die Gothics) unbedingt haben. Dazu metzeln sie im Drogen- und Blutrausch halbe Stämme nieder, die andere Hälfte wird versklavt. Doch der junge Elja entkommt mit dem Würfel. Er soll ihn zum Stamm der Atlantier bringen, von denen niemand weiß, wo sie leben. Bruder Kiano wird gefangen genommen, Schwester Liv tot geglaubt zurückgelassen - und vom militarisierten Crimson-Republic-Stamm (quasi eine Mini-UN) gefunden.

Wieso spricht man Englisch?

Wieso die Stämme englische Namen haben, erschließt sich nicht. Auch nicht, warum sie untereinander Deutsch und miteinander Englisch sprechen. Bei der Handlung mangelt es - wie beim Kleidungsstil - an originellen Ideen. Man meint, alles schon einmal in anderen Science-Fiction- oder Fantasy-Formaten gesehen zu haben. Die spannende Kernidee der Serie - die  "Tribes" - spielt eine untergeordnete Rolle. Alle Aufmerksamkeit richtet sich auf den Kampf um den Würfel, der technische Überlegenheit bringen könnte. Was die Stämme zusammenhält und wie sie funktionieren, wird nur oberflächlich behandelt. So ist "Tribes of Europa" zwar unterhaltsam, aber seicht.

Konventionell sind auch die Geschlechterrollen: Livs oberstes Ziel ist es, "Tribe" und Familie zu retten. Ganz die Übermutter. Bei den Crows gibt es Bösewichtinnen, aber an der Spitze der Stammesleiter stehen Männer. Auch der auserwählte Würfel-Träger ist ein junger Mann. Für eine Zukunftsvision ganz schön altmodisch.

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