Russland

Amnesty International stuft Alexej Nawalny nicht länger als politischen Gefangenen ein

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Die NGO verweist zur Begründung auf vorgebliche frühere Hass-Kommentare und diskriminierende Aussagen des nationalistischen Politikers. Die Aberkennung sei beschämend und Folge einer Kampagne der Staatsmedien, sagen seine Unterstützer.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat eine interessante Entscheidung getroffen: Sie stuft den in Haft befindlichen russischen Oppositionellen und Kreml-Kritiker Alexej Nawalny nicht länger als politischen Gefangenen ein - und begründet das, wie es am Mittwoch hieß, mit früheren „Hass-Kommentaren" des im Kern nationalistischen Politikers und mit Äußerungen, in denen er Gewalt und Diskriminierung gutgeheißen habe. Man wolle sich aber weiter für die Freilassung des 44-Jährigen einsetzen, hieß es.

Nawalny wurde vor rund einem halben Jahr Opfer eines Giftanschlags und kam zur Behandlung nach Deutschland. Man fand dort Spuren eines „Super-Nervengiftes", das ihm durch eine damit benetzte Unterhose in einem Hotel verabreicht worden sein dürfte. Nach seiner Rückkehr nach Moskau wurde er kürzlich wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen zu mehr als zweieinhalb Jahren Haft in einem Straflager verurteilt. Im Jänner demonstrierten Zehntausende Russen gegen Putin und für die Freilassung Nawalnys. Die Polizei ging massiv gegen die Proteste vor und nahm Tausende Menschen fest.

Kritik an Migration aus moslemischen Regionen

Ein Sprecher von AI, Aaron Maté, zitierte am Mittwoch in einer Stellungnahme auf Twitter keine bestimmten Äußerungen Nawalnys aus der Vergangenheit, die zu dem Beschluss geführt hätten. Allerdings ist bekannt, dass Nawalny, ein Anwalt und Publizist, zu Beginn seiner politischen Karriere in den 2000er-Jahren und danach sich etwa kritisch bis feindlich zu Einwanderung geäußert hatte. Er nahm zeitweise an rechtsextremen und monarchistischen Aufmärschen teil und schimpfte über die moslemischen Kaukasus-Republiken.

Amnesty räumte ein, es lägen keine Hinweise darauf vor, dass Nawalny in den vergangenen Jahren nochmals Hass-Kommentare verbreitet habe. Zwar sei sein Kampf gegen den Kreml, gegen Korruption und für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Russland zu unterstützen - der persönliche Hintergrund aber bilde „einen Widerspruch zur Definition eines politischen Gefangenen", wie sie von Amnesty angewendet werde, schrieb Maté.

Nawalny war 1999 der Partei Jabloko („Apfel") beigetreten, einem gemäßigten Sammelbecken demokratisch-liberaler Kräfte, und lange im Vorstand. Nachdem die Partei 2007 aus dem Parlament geflogen war, wurde Nawalny ausgeschlossen, angeblich wegen nationalistischer und fremdenfeindlicher Äußerungen.

Blutrache „tierischer Brauch"

Nun wurde er selbst aktiv, gründete eine NGO und die Kleinpartei „Russland der Zukunft" (anfangs „Fortschrittspartei"). In der Folge nahmen mediale Vorwürfe bzw. Berichte über nationalistische und angeblich rassistische Positionen und Äußerungen zu. Etwa, weil er das kaukasische Phänomen der Blutrache als „tierischen Brauch" der dortigen Gesellschaft schalt, dass er „zersetzende Elemente" abschieben wollte. Im Zusammenhang mit Kaukasus-Bewohnern (etwa Tschetschenen) fiel indes schon auch einmal das Wort „Kakerkaken".

Nawalny achtete in den vergangenen Jahren darauf, keine extremen oder leicht als rechtsextrem wertbare Erklärungen mehr abzugeben. Dass er es früher getan habe, begründete er mit seiner Absicht, alle Strömungen der Opposition gegen Putin anzusprechen.

Nawalnys Team warf Amnesty mittlerweile vor, mit der Distanzierung dem Druck einer Kampagne durch russische Staatsmedien nachgegeben zu haben. Die Aberkennung des Status als politischer Gefangener sei  "äußerst beschämend".

(APA/AFP/red.)

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