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"Behind Her Eyes": Wer manipuliert hier wen?

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Ist das ein Erotik-Thriller, der sich hier zwischen einem kontrollwütigen Psychiater, seiner drogenabhängigen Frau und seiner alleinerziehenden Sekretärin anbahnt? Wer sich auf die neue Netflix-Serie „Sie weiß von dir“ einlässt, sollte vorher das Kleingedruckte lesen.

In der neuen Netflix-Serie „Sie weiß von dir“ (im Original: „Behind Her Eyes") ist nichts, wie es scheint. Die alleinerziehende Mutter Louise ist ein kumpelhafter Typ, fröhlich und hilfsbereit – nachts allerdings wandelt sie im Schlaf durch ihre Wohnung und wird von Albträumen gequält. David, ihr neuer Chef, versucht den Anschein einer intakten Ehe aufrechtzuerhalten, verknallt sich aber schon bei der ersten Begegnung in Louise, die in seiner Gemeinschaftspraxis als Sekretärin arbeitet.

Seine ätherische Frau Adele schreitet wohlerzogen und mit akkurat geschnittenem Pagenkopf durch das leere Haus – und wirkt dabei so einsam wie entrückt. In Rückblenden sieht man Adele bei einem Aufenthalt in einer Entzugsklinik mit ihrem Junkie-Freund Rob übers Leben philosophieren, in der Gegenwart stopft der Psychiater David sie mit Tabletten voll. Keine gute Idee also, sich diesen Mann als heimlichen Lover zu angeln – aber die emotional ausgehungerte Louise stürzt sich trotzdem ins Abenteuer.

So hebt „Sie weiß von dir“ („Behind Her Eyes“) zunächst als Erotik-Thriller an. Dass mit David (zwischen Charme und Drohung: Tom Bateman, bekannt aus „Mord im Orient Express“ und „Da Vinci's Demons“) und Adele (Bono-Tochter Eve Hewson, die derzeit auch als Anne Morgan in „Tesla“ zu sehen ist) etwas nicht stimmt, ist schnell klar. Die beiden eint ein traumatisches Erlebnis, bei dem Adeles Eltern ums Leben kamen. Ihre emotionale Abhängigkeit von David ist fast unerträglich. Er kontrolliert sie mit Anrufen und schaut ihr sogar unter die Zunge, ob sie ihre Psychopharmaka auch tatsächlich geschluckt hat. Sie malt einen dunklen Wald an die Wand des Schlafzimmers im neuen Haus. Die beiden sind neu in der Gegend – und Adele hat keine Freunde. Sie scheint aus Rückblenden auf die Zeit in der Klinik und mit Rob (Robert Aramayo), den sie auf naive Weise liebt, Kraft zu schöpfen. Adele ist, oder besser war, ein Mensch ohne Alarmsystem: Traue niemals einem Junkie!

Ist es Zufall, dass sie Louise über den Weg läuft und so lange insistiert, bis diese mit ihr auf einen Kaffee geht? Irgendwie ist die verlorene Adele der fest im Leben stehenden Louise (Simona Brown aus „Die Libelle“, „Kiss Me First“) aber doch sympathisch, und schon bald tauschen sich die beiden über Intimitäten aus. „Was passiert in deinen Träumen?“, fragt Adele freundlich. Sie schwört Louise darauf ein, David nichts von ihren Treffen zu verraten. Und so schlittert Louise in eine Dreiecksbeziehung, deren Folgen sie nicht einmal erahnen kann. Bald fragt man sich: Wer manipuliert hier wen?

Unvermittelt Mystery

Wer „Sie weiß von dir“ (nach dem Roman von Sarah Pinborough) schaut, sollte jedenfalls das Kleingedruckte lesen – da steht auf Netflix, dass es sich um das Genre Mystery handelt. Genauer: Die Serie, die als psychologischer Erotik- und Drogen-Thriller ansetzt (Adele spritzt sich Heroin zwischen die Zehen, während „Mr. Sandman“ läuft, bis sie im ersehnten Land der Träume ist), gleitet erst in den letzten zwei der insgesamt sechs Episoden eher unvermittelt ins Genre Mystery ab. Statt an psychologischer Tiefe (was anhand des sich steigernden Machtkampfes zwischen Adele und David interessant hätte sein können) gewinnt die Serie im Segment des Übernatürlichen an Fahrt.

Um dorthin zu gelangen, schlägt die Handlung mit Hilfe der Rückblenden plötzlich unerwartete Haken – man würde sich wünschen, Serienschöpfer Steve Lightfoot („Hannibal“, „Narcos“) hätte mehr Zeit dafür eingeplant, um die wenig plausiblen Wendungen in diesem perfide ausgeklügelten Plan schlüssiger zu erklären. So bleibt der Zuschauer ähnlich verwirrt und überrumpelt zurück wie Louises Sohn: Er versteht am Ende die Welt nicht mehr.

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