Firmen sollen sich leichter entschulden können. Auch ohne Insolvenz.Wie soll das in der Praxis funktionieren?
Entwurf

Schutzwall gegen die drohende Pleitewelle

Firmen sollen sich leichter entschulden können. Auch ohne Insolvenz.Wie soll das in der Praxis funktionieren?

Wien. Seit Dienstag ist der Entwurf für eine Restrukturierungsordnung in Begutachtung. Die Zeit drängt – nicht nur, weil die entsprechende EU-Richtlinie (2019/1023) bis zum 17. Juli umgesetzt werden muss: Es geht auch ums Überleben vieler von der Coronakrise schwer gebeutelter Unternehmen. Etliche werden in den nächsten Monaten an den Rand der Pleite schlittern. Da könnte das neue, gerichtliche Restrukturierungsverfahren ein Rettungsanker sein.

Offenstehen wird das neue Verfahren insolvenzgefährdeten, aber zahlungsfähigen Unternehmen mit Ausnahme des Finanzsektors. Es soll vor allem das Aushandeln eines Schuldenschnitts erleichtern. Innerhalb von 60 Tagen muss ein Restrukturierungsplan vorliegen, samt einer Fortbestehensprognose, die belegt, dass die geplanten Maßnahmen wahrscheinlich die Pleite abwenden können. Dabei entscheidet der Schuldner, welche Gläubiger er in die Restrukturierung einbezieht (z. B. nur die Banken). Arbeitnehmerforderungen sind davon ausgenommen. Neu ist auch eine Unterscheidung nach Gläubigerklassen (z. B. besichert oder unbesichert). Und, so Eva Spiegel, Restrukturierungsexpertin in der Anwaltskanzlei Wolf Theiss: „Die Sanierung kann, wenn nötig, auch gegen den Widerstand einzelner ,Akkord-Störer‘ über Mehrheitsentscheidungen durchgesetzt werden.“ Selbst einzelne Gläubigerklassen können unter bestimmten Voraussetzungen überstimmt werden.

Vollstreckungssperre möglich

Bis zu einem gewissen Grad kann sich der Schuldner auch vor Gläubigerzugriff schützen. So kann er beim Gericht eine Vollstreckungssperre beantragen, Geschäftsleiter haben dann auch kein Haftungsrisiko, wenn sie im laufenden Geschäftsbetrieb Rechnungen bezahlen. Auch neue Finanzierungen werden erleichtert, weil dafür ein gewisser Anfechtungsschutz besteht. Bei den derzeit üblichen außergerichtlichen Sanierungsversuchen gibt es all das nicht, sie scheitern daher nicht selten am Widerstand eines einzigen Gläubigers.
Ob das Verfahren in der Ediktsdatei publik gemacht wird oder nicht, bestimmt ebenfalls der Schuldner. Es nicht öffentlich zu machen, kann den Weiterbetrieb erleichtern: „Denn wird es publik, werden Geschäftspartner nur noch gegen Vorauszahlung leisten“, sagt Michael Haiböck, Restrukturierungsexperte bei Haslinger Nagele. Das kann dann erst recht Zahlungsunfähigkeit auslösen und Sanierungsbestrebungen scheitern lassen.

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