Erkennungsdienstliche Aufnahme von Rosa Luxemburg (1871 bis 1919), Warschauer Polizeigefängnis 1906.
Zum 150. Geburtstag

Ist Rosa Luxemburg als linker Mythos auch heute vorstellbar?

Mit ihrem selbstverständlichen Engagement für Frauenrechte, ihrer radikalen Kritik an jeder Art von Kolonialismus und nicht zuletzt in dezidiert antispeziesistischen Ansätzen bietet Luxemburgs Werk bis heute unverhoffte Anknüpfungspunkte jenseits historisch-materialistischer Linientreue.

Die junge Frau studiert Biologie, zweifellos aus Neigung. „Sie haben vielleicht bemerkt, wie drollig die Haubenlerchen laufen, mit kleinen behenden Schrittchen, trippelnd, nicht wie der Spatz mit beiden Beinchen hüpfend“, schreibt sie knapp dreißig Jahre später in einem ihrer vielen Briefe, immer noch voll Begeisterung und Mitgefühl für Tiere aller Art, auch wenn sich ihr Vogelbeobachtungsposten inzwischen hinter Gitter verlagert hat. Es ist nicht ihr erster Gefängnisaufenthalt.

Ins Visier der Polizei war sie bereits als Gymnasiastin im Zarenreich geraten – wegen sozialistischer Umtriebe. Als sie Anfang 1889 mit knapp achtzehn Jahren aus Polen in die liberale Schweiz reist, muss sie das heimlich tun, im Gegensatz zu den meisten anderen bildungshungrigen Europäerinnen, die es an die Schweizer Universitäten zieht: In Zürich etwa sind Frauen schon seit 1840 zum Studium zugelassen. Die junge Frau, Rozalia heißt sie, Rozalia Luksenburg, kommt mit Bestnoten, breiter Allgemeinbildung und stupender Vielsprachigkeit: Zu Hause in Warschau wurde in der Familie vor allem Polnisch, daneben Jiddisch gesprochen, Unterrichtssprache im Gymnasium war Russisch; als Fremdsprachen hat sie Französisch gelernt und Deutsch – die Sprache, in der sie später publizistisch tätig sein wird. Frühe Diskriminierungserfahrungen haben ihre Entschiedenheit, sich weder aufgrund ihres Geschlechts noch ihrer Herkunft von irgendetwas abhalten zu lassen, nur verstärkt; auch nicht aufgrund ihrer geringen Körpergröße und ihrer leichten Behinderung: ein Bein ist kürzer als das andere, und die zeitgenössische Behandlungsweise von kindlichen Hüftschäden, den Körper nach Auftreten der ersten Beschwerden ein Jahr lang in Gips ruhigzustellen, hat die Sache nicht besser gemacht.

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