Es ist möglich, Jeanne d'Arc von all den verstiegenen Hypothesen und Legenden, die sie seit 600 Jahren umgeben, zu befreien. Auch wenn sie in ihrem Leben aus den Normen fiel, war es dennoch zeitgebunden. Jeanne war durchaus ein Mensch ihrer Epoche.
Kann man über Jeanne d'Arc etwas Neues erzählen? Fast 600 Jahre schon beschäftigen sich Menschen mit ihrem Leben, gab es Für und Wider, gab sie Rätsel auf. So uferte die Überlieferung dessen, was sie getan hat und was ihr angetan wurde, ins Uferlose aus. Ihre Erfolge als fromme Heroine, ihre Niederlage und Hinrichtung nach einem Ketzerprozess, ihre Wiederentdeckung in der Zeit der Romantik, ihre Instrumentalisierung durch die Politik, all das bewegte die Gemüter.
So vielfältig die Überlieferung war, so divergent war die Interpretation ihres Lebens: Als Heldin aus dem Volk, die die Nation rettete, von der Kirche im Verbund mit den Mächtigen jedoch schmählich behandelt wurde, aber auch als Frau, die aus der Rolle, die die Männerwelt Frauen vorgab, ausbrach, oder als fromme Katholikin, an der sich Gottes Wirken manifestierte, vor deren innerlicher Unabhängigkeit die Amtskirche aber versagte.