Unterwegs

Reiseerinnerungen

Kreta, Plakias, Ammoudia Strand
Kreta, Plakias, Ammoudia Strand (c) imago images/Westend61 (Maria Maar via www.imago-images.de)
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Nach einem Jahr Seuche und praktisch ohne Reisen fragt sich: Wie erinnern wir uns ans Anderswo?

Was einem auf Reisen so alles über den Weg läuft

Von einer meiner eindrucksvollsten Reisen gibt es kein fotografisches Zeugnis. Es war im Sommer 1997, mit soeben zu ehemaligen Schulkameraden gewordenen Freunden noch einmal nach Kreta, wohin uns ein Jahr zuvor die Maturareise geführt hatte. Dieses Mal kein Ferienclub, sondern ein einfaches, weiß gekalktes Haus hoch über Ierapetra. Wir zischten auf Motorrädern über die staubigen Straßen rauf in die Berge, aßen in kleinen Tavernen, unter Bäumen mit purpurnen Blüten, deren Namen ich nicht kenne. All das hielt ich mit einer alten, analogen Nikon fest. Ein wenig fühlte ich mich wie Bruce Chatwin, dessen Bücher ich gerade entdeckt hatte.

Nach der Heimkehr im Drogeriemarkt das Entsetzen: Der Film, den ich dort zum Entwickeln abgegeben hatte, war unbelichtet. Der Mechanismus, mit dem die gute alte Nikon den Film weiterzog, hatte versagt; ein Zahnrädchen oder Zäpfchen, das nicht dort gegriffen hatte, wo es hätte greifen sollen, und somit keine Fotos von den Purpurblüten über der Tavernentür und der Mondlandschaft in den kretischen Bergen.

Trotzdem erinnere ich mich noch ein Vierteljahrhundert später in erstaunlichen Details an diese Reise. Viel mehr blieb hängen als von späteren Reisen, die dank zuerst digitalem Fotoapparat und später Smartphone mit einer Fülle an Bildern dokumentiert sind. In dieser Coronazeit, wo das Reisen unerreichbar geworden ist, frage ich mich immer öfter, ob nicht das, was uns aus der Fremde erinnerlich bleiben soll, möglichst sparsam abgelichtet werden sollte. Je weniger Bilder, desto wichtiger ist uns das, woran sie erinnern.

oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2021)

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