Morgenglosse

Europas Impferfolg ist auch eine Frage des Preises

Ankunft des Sputnik-Impfstoffes im slowakischen Kosice
Ankunft des Sputnik-Impfstoffes im slowakischen KosiceAPA/AFP/PETER LAZAR
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Für ärmere EU-Staaten sind die Kosten der Immunisierung ihrer Bürger essenziell. Ihre Gesundheitssysteme sind zu schwach, um dem brutalen Ansturm der neuen Mutanten standzuhalten.

Die EU hat bei den Verhandlungen mit den Pharmakonzernen fatalerweise geknausert. Sie hätte auf schnelle Lieferung setzen sollen, statt die Preise zu drücken, denn das wäre billiger gewesen als die Schäden, welche die Lockdowns uns nun bescheren. So hört und liest man es oft. Die Logik ist bestechend, was könnte man ihr entgegensetzen?

Nun, vielleicht dieses: Für reiche Länder wie Österreich oder Deutschland mag es egal sein, ob die Immunisierung eines ihrer Bürger vier oder 40 Euro kostet. Für ärmere Mitgliedstaaten hingegen ist das anders. Ihre Gesundheitsbudgets waren schon vor der Coronakrise dürr. Ab April, wenn ein enormer Anstieg der verfügbaren Impfdosen zu erwarten ist, könnten die damit verbundenen Ausgaben ihnen schwere Probleme bereiten. Kein Wunder also, dass ihre Vertreter vorigen Sommer in den Verhandlungen mit den Herstellern auf niedrige Preise drängten - was, logischerweise, zu Verzögerungen der Abschlüsse der Verträge und vermutlich zu weniger vorteilhaften Lieferbedingungen für die gesamte EU geführt hat.

Erschwert wird die pandemische Lage von Ländern wie Ungarn, der Slowakei, Polen und Tschechien dadurch, dass die jahrelange chronische Unterfinanzierung ihrer Gesundheitssysteme zu einem Exodus vieler Ärzte und Pflegekräfte geführt hat. Diese Länder glaubten sich nach der vergleichsweise glimpflich überstandenen ersten Welle im Frühling vorigen Jahres sicher - und verschliefen die organisatorische Vorbereitung auf die umso brutaler über sie walzende zweite beziehungsweise dritte Welle seit dem Herbst. Die Regierungen diese Länder wissen: wenn die virulenteren Mutanten voll in ihren Ländern anschlagen, droht der Zusammenbruch des Spitalwesens.

Jeder Tag zählt. So erklärt sich, dass sie nun in Panik bei den Russen und Chinesen einkaufen. Am Montag telefonierte Polens Ministerpräsident, Mateusz Morawiecki, mit Chinas Präsidenten Xi Jinping über diese Frage. Zwei Millionen Dosen Sputnik V erhofft sich die Slowakei, gab die Regierung am Montagabend bekannt. Heimlich hatte sie per Militärtransport die ersten 200.000 Dosen einfliegen lassen. Eine Regierungskrise könnte folgen, denn erste Abgeordnete der Koalition traten bereits im Protest zurück.  

Für die gemeinsame EU-Strategie zur Beschaffung und Verteilung der Impfstoffe sind das keine guten Nachrichten. Doch abgesehen davon führt keine Impfkampagne zu einer sofortigen Aufhebung der Beschränkungen des Wirtschaftslebens – nicht einmal beim zwischenzeitlichen Impfchampion Israel. Die Vorstellung, man könnte sich „freiimpfen“ und von einem Tag auf den anderen das Leben vor Corona wieder anknipsen, läuft an der Realität vorbei. Wir werden, auch geimpft, noch einige Zeit mit Masken, Distanz, räumlichen Beschränkungen, spontanen Lockdowns leben müssen. Zumindest so lange, bis sich der Virus kraft hoher Impfquote totläuft. Und selbst dann ist es absehbar, dass wir neuen Mutanten Jahr für Jahr mit einem Massenimpfprogramm begegnen werden müssen.

Man darf es nicht vergessen: Das Rennen gegen Covid-19 ist ein Marathon. Es ist unerlässlich, dass vor allem den ärmeren EU-Staaten dabei nicht die Luft ausgeht.

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