Ermittlungen

Chinesische Masken um­etikettiert? Razzia bei Hygiene Austria

Eine FFP2-Maske der Hygiene Austria, wie sie in zahlreichen Supermärkten erhältlich ist.
Eine FFP2-Maske der Hygiene Austria, wie sie in zahlreichen Supermärkten erhältlich ist.(c) Die Presse/klepa
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Beim Tochterunternehmen von Palmers und Lenzing läuft eine Hausdurchsuchung. Es bestehe der Verdacht, dass chinesische Masken zu österreichischen umetikettiert würden - möglicherweise mithilfe von Schwarzarbeit. Hygiene Austria weist die Vorwürfe zurück.

Der heimische MNS-Hersteller Hygiene Austria ist Ziel einer Razzia geworden, wie ein Unternehmenssprecher Dienstagabend bestätigte. Durchsuchungen erfolgten demnach an zwei Adressen - in der Donau-City-Straße 11 in Wien bei Palmers sowie in Wiener Neudorf, wo auch die Hygiene Austria ihren Produktionsstandort hat. Das Unternehmen soll China-Masken zu österreichischen Masken umetikettiert haben. Hygiene Austria ist eine Tochter von Palmers und Lenzing.

"Hintergrund sind Ermittlungsergebnisse, wonach im Ausland produzierte FFP2-Masken an einem Unternehmensstandort in Österreich umgepackt und als in Österreich produzierte Marken zu einem höheren Preis verkauft worden sein sollen und für das Umpacken der FFP2-Masken sollen Personen ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung tätig gewesen sein", sagte Oberstaatsanwältin Elisabeth Täubl von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Gespräch mit der Austria Presse Agentur. Es werde ein Ermittlungsverfahren gegen namentlich bekannte Personen sowie gegen noch näher zu bestimmende Verantwortliche eines österreichischen Unternehmens im Zusammenhang mit dem Verkauf von FFP2-Masken "wegen des Verdachts der organisierten Schwarzarbeit sowie schweren gewerbsmäßigen Betrugs" geführt.

Hygiene Austria dementiert

"Die Hygiene Austria LP weist die heute erhobenen, haltlosen Vorwürfe auf das Schärfste zurück", hieß es in einer Stellungnahme der Unternehmensführung. "Wir kooperieren eng mit den Behörden und werden alles zur Aufklärung beitragen." Es sei bedauerlich hier "in tagespolitische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden".

Über die vergangenen zehn Monate habe die Hygiene Austria LP, mitten in der größten Pandemie des letzten Jahrhunderts, eine moderne Maskenproduktion mit mehreren hundert Mitarbeitern in Wiener Neudorf aufgebaut. "Neben der Schaffung von Arbeitsplätzen werden der österreichische Lebensmittelhandel, namhafte Industrieunternehmen und damit die österreichische Bevölkerung mit Millionen hoch qualitativer Masken optimal versorgt", betonte das Management.

Hausdurchsuchungen mit richterlicher Bewilligung

Laut WKStA wurden an zwei Unternehmensstandorten Hausdurchsuchungen mit richterlicher Bewilligung durchgeführt. Bei den Durchsuchungen waren demnach ein Oberstaatsanwalt der WKStA, Beamte des Landeskriminalamts (LKA) Niederösterreich, des Bundeskriminalamts (BKA) sowie der Finanzpolizei im Einsatz, hieß es gegenüber der APA.

Die Schadenshöhe ist laut Oberstaatsanwältin noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Die Zuständigkeit der WKStA ergebe sich "derzeit primär aufgrund ihrer ausschließlichen Zuständigkeit für das Delikt der organisierten Schwarzarbeit".

Nähere Angaben zu beschuldigten Personen, Verbänden (wie etwa Unternehmen und dergleichen) bzw. zu weiteren Ermittlungsmaßnahmen könnten derzeit aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht gemacht werden.

Lenzing kündigte indes weitere Details zu dem Vorfall in Form einer Unternehmensmitteilung an. Diese sei frühestens am Mittwoch - nach internen Abstimmungen - zu erwarten.

Kritik von der Opposition

Politische Brisanz birgt die Tatsache, dass Luca Wieser, einer der drei Vorstände der Palmers Textil AG, der Ehemann von Lisa Wieser ist, der Büroleiterin des Kabinetts von Bundeskanzler Kurz. Außerdem im Vorstand: Lucas Bruder Tino Wieser. Eine Verschwägerung, die die Neos im Parlament mittels parlamentarischer Anfrage auch schon einmal hinterfragt hatten.

Durch die Hausdurchsuchungen sieht sich der Neos-Fraktionsführer im sogenannten kleinen Untersuchungsausschuss, Douglas Hoyos, bestätigt. Vor allem das Fehlen von ordentlichen Ausschreibungsverfahren und auch dubiose Beschaffungsvorgänge in den letzten Monaten hätten - gepaart mit der Intransparenz der Regierung - den kleinen Untersuchungsausschuss nötig gemacht.

Die Arbeit im kleinen U-Ausschuss laufe gerade voll an: „Wir werden uns in den nächsten Monaten intensiv mit den Maßnahmen und vor allem den Beschaffungen der Regierung auseinandersetzen. Der Coronamasken-Hersteller Hygiene Austria wird dabei nur ein Teil dessen sein. Sollte sich der Verdacht durch die Hausdurchsuchung bestätigen, wird das aber natürlich auch im kleinen Untersuchungsausschuss intensiv zu behandelt sein.

Die FPÖ sieht, sollten die Vorwürfe stimmen, den nächsten „Skandal de Extraklasse" für den die Bundesregierung - und allen voran Kanzler Kurz - die volle Verantwortung trage, wird Parteichef Norbert Hofer in einer Aussendung zitiert. Schließlich habe der Kanzler höchstpersönlich Hygiene Austria zum Firmenstart gratuliert.

"Während in Österreich Hunderttausende Menschen keinen Job haben, machten andere das Geschäft ihres Lebens - wir bringen morgen dazu eine Anfrage an Sebastian Kurz ein", kündigte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried via Twitter an. In der Anfrage werde es unter anderem darum gehen, was der Bundeskanzler wusste.

Auch Parlament bezog Masken

Die Hausdurchsuchung bei Hygiene Austria hat am Mittwoch auch den Ibiza-Untersuchungsausschuss am Rande beschäftigt. Vertreter von SPÖ und FPÖ wiesen darauf hin, dass die  Masken des Unternehmens auch vom Parlament zur Verfügung gestellt werden. Auch der Umstand, dass der Geschäftsführer der Firma ein Verwandter der Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist, wurde prominent erwähnt.

Wie die Parlamentsdirektion auf APA-Anfrage bestätigte, befinden sich MNS-Masken des heimischen Herstellers Hygiene Austria im Bestand des Parlaments. Diese seien aber nicht direkt bezogen worden. Vielmehr habe es sich um einen "Abruf bei der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG)" gehandelt.

Ansonsten hoffen alle Fraktionen auf eine schnelle juristische Aufarbeitung der Causa. Das Unternehmen hatte von "haltlosen Vorwürfen" der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gesprochen und ihr vorgeworfen, in tagespolitische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden.

Laut FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker versucht die ÖVP "nicht nur, politisch Kapital aus dieser Krise zu schlagen, sondern auch finanziell". Ansonsten hielten sich die Abgeordneten mit Vorwürfen in der Causa eher zurück, da man großteils nur aus den Medien davon erfahren habe. Für rasche Aufklärung sprach sich ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl aus. Die Justiz müsse schnell arbeiten und - je nachdem - schnell anklagen bzw. das Verfahren einstellen.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl nahm parallel bei einer Pressekonferenz Kurz aufs Korn: "Eine sehr feine Gesellschaft, in der sich der Bundeskanzler da bewegt." Bis vor wenigen Stunden sei dieser das "Parade-Testimonial" der Firma gewesen - mittlerweile versuchten seine Helfer aber offenbar, diese Spuren zu verwischen. Neben der "engen Verbandelung" seiner Büroleiterin sei etwa auch der von der ÖVP entsandte ORF-Stiftungsrat Gregor Schütze für die Pressearbeit der Firma zuständig.

Lenzing will Mehrheit ausbauen

Der oö. Faserhersteller Lenzing will bei der Maskenfirma demnächst  die Kontrolle übernehmen. Das ging aus einer Zusammenschlussanmeldung bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) von Mitte Februar hervor. Demnach beabsichtigt Lenzing, die alleinige Kontrolle über die Hygiene Austria LP GmbH zu erwerben. Die Palmers Textil Aktiengesellschaft bleibe Minderheitsgesellschafterin. Die Behörde hat bis 2. März (Dienstag) Zeit für die Prüfung.

An der Zusammensetzung der Anteile werde sich aber nichts ändern. Der Grund für die Anmeldung bei der BWB sei eine Neufassung des Gesellschaftervertrags mit operativen Änderungen. Lenzing werde weiter 50,1 Prozent und Palmers weiter 49,9 Prozent halten, bestätigte auch ein Sprecher von Lenzing. 

Die Hygiene Austria LP GmbH wurde am 24. April 2020 von den beiden Unternehmen als Hygienekompetenzzentrum mit dem Ziel gegründet, am ehemaligen Produktionsstandort von Palmers in Wiener Neudorf bei Wien „eine schnelle und unabhängige Produktion von Hygieneartikeln" zu ermöglichen, wie es in mehreren Presseaussendungen heißt. Das Unternehmen stellt laut eigenen Angaben sogenannte Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) und OP-Schutzmasken der Klasse EN14683 mit einer monatlichen Kapazität von 15 Millionen Stück sowie 10 Millionen FFP2 Masken pro Monat her.

(APA/Red.)

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