In Deutschland hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Juli das bundesweite Modellprojekt „Bürgerarbeit“ gestartet. Schwer vermittelbare Arbeitslose sollen in Kommunen gemeinnützige Jobs nachgehen.
Berlin (e.m.). Straßen und Parks säubern, pflegebedürftigen Menschen vorlesen oder mit ihnen spazieren gehen, Sporttrainings für Jugendliche leiten – in Deutschland hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Juli das bundesweite Modellprojekt „Bürgerarbeit“ gestartet, das sich derzeit in einer sechsmonatigen „Aktivierungsphase“ befindet: 160.000 schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose werden individuell beraten und getestet, für welche Aufgaben sie in Frage kämen. Wer in den sechs Monaten nicht in den regulären Arbeitsmarkt integriert werden kann, soll ab 15. Jänner 2011 einen der 34.000 „Bürgerarbeitsplätze“ bekommen.
Das Programm, das auf drei Jahre befristet ist und mit 1,3 Milliarden Euro vom Bund und aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert wird, ist laut von der Leyen für diejenigen gedacht, „die ganz miserable Chancen haben, einen regulären Job zu finden. Jeder bekommt eine Chance. Das zeigt, dass wir es ernst meinen mit dem Arbeitsangebot“. Die Bürgerarbeit sei die „konsequenteste Form des Förderns und Forderns“.
Kein Verdrängen regulärer Jobs
Rund 190 Jobcenter aus allen 16 Bundesländern haben sich an der Ausschreibung beteiligt und Konzepte gemeinsam mit Unternehmen, Kammern und Kommunen erarbeitet. Letztere können selbst entscheiden, welche Aufgaben ihre „Bürgerarbeiter“ übernehmen sollen. Wichtig ist, dass die Arbeit gemeinnützig ist und keine regulären Jobs verdrängt. Für einen 30-Stunden-Job sollen die „Bürgerarbeiter“ 900 Euro brutto im Monat bekommen. Während der Beschäftigungsphase werden sie betreut, und sobald sich eine neue Chance auf dem regulären Arbeitsmarkt ergibt, kümmert sich der Coach um die Vermittlung. Vorbild für das Programm ist ein Pilotprojekt in Sachsen-Anhalt.
Wenn Arbeitslose Bürgerarbeit ablehnen, müssen sie mit den bestehenden, gesetzlich festgelegten Sanktionen rechnen. Die Grünen befürchten, dass durch die Bürgerarbeit unwillige Programmteilnehmer mittels Sanktionen aus dem Arbeitslosengeldbezug gedrängt werden sollen. Müllsammeln und Straßenfegen führe Langzeitarbeitslose nur in die Sackgasse. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist skeptisch: Die 900 Euro könnten vielfach nicht existenzsichernd sein, ergänzende Hartz-IV-Leistungen somit notwendig bleiben.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2010)