Mein Freitag

Nach Heraklion bitte, mit einem Buch im Gepäck

Clemens Fabry
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Wo denn der erste Flug hingehen sollte, ist ein ergiebiges Gesprächsthema, während man auf den Beginn von etwas wartet.

Wo denn der erste Flug hingehen sollte, ist ein ergiebiges Gesprächsthema, während man auf den Beginn von etwas wartet. Ich werfe Heraklion ins Rennen, und meine Kollegin ist gleich bereit zum Einsteigen. Sie würde sich umso mehr darauf freuen, da sie noch nie in Griechenland war. Wie beneidenswert, staunt eine andere: Griechenland noch vor sich haben. Auch wenn es immer wieder schön sei, sei es nie mehr wie beim ersten Mal.

Auch beim Thema Wiederholung gibt es solche und solche (aber mehr solche, hätte ein ehemaliger Klassenkollege hier eingeworfen). Ich muss zum Beispiel bei „When Harry Met Sally“ jedes Mal wieder an derselben Stelle ein paar Tränen vergießen, auch wenn ich den Film auswendig mitsprechen kann und weiß, wie er ausgeht. Und bei vielen Büchern war es gut, sie mehrmals gelesen zu haben, in einem anderen Alter, in einem anderen Gemütszustand. Das, was zu einem aus dem Text spricht, ist großteils ein Echo.

Wenn man ein gutes Buch liest, kämpft in einem der brennende Wunsch, die Seiten rasch umzuschlagen und durch den Text zu jagen, gegen das Hinauszögern des Endes. Ich kenne jemanden, der die letzten 20 Seiten eines Romans wochenlang hinausschob, bis die Zeit reif schien für einen Abschied.

Das Glück, etwas Schönes erlebt, gesehen, gelesen, gegessen zu haben, ins Danach hinüberzuretten, gehört wohl zu den schwierigeren Errungenschaften im Leben. Bringt man die leeren Flaschen hinaus und hat das Geschirr abgewaschen, sind die lustigen Stunden der Feier zuvor schon fast vergessen, auch wenn man ihre Spuren noch trägt.

Wie traurig es sei, dass man sich nicht an die ersten Lebensjahre erinnern könne, meint ein Kind und ob die schönen Momente nicht „umsonst“ gewesen seien. Nein, natürlich nicht. Auch wenn man keine Erinnerung daran hat, wie lustig es die Rutsche hinunterging, beim Geruch von Mulch wird man sein Leben lang vergnügt sein und vielleicht gar nicht wissen warum.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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