Auffallend viele Serien-Neuerscheinungen widmen sich – mehr oder weniger realitätsnah – der Lebenswelt von Jugendlichen. Andere erkunden futuristische Liebesmodelle oder den Hamburger Hafen. Ein Überblick, von „Love, Victor“ bis „Das Hausboot“.
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Love, Victor
Altmodisches Coming-Out-Drama
Zu sehen auf Disney+
In vielen Aspekten wirkt dieses Teenager-Drama, als könnte es aus einem anderen Jahrzehnt stammen – würde es sich nicht um ein Thema drehen, das in den Serien der Neunziger und Nullerjahre höchstens über Nebenfiguren abgehandelt wurde. Schon die Intro-Sequenz ist dezidiert altmodisch: Zu Schmalzpop werden verträumt blickende Teenie-Gesichter, gutmütige Eltern und altbekannte Highschool-Ansichten eingeblendet. Willkommen in der Welt von Victor, dem Spross einer christlichen Latino-Familie, die gerade aus der texanischen Provinz nach Atlanta gezogen ist. Unter lauter Rich Kids sucht Victor (süß: Michael Cimino) hier nach Freundschaft, Liebe, vor allem nach Klarheit über seine sexuelle Orientierung.
Die Serie knüpft an den erfolgreichen, an der selben Schule spielenden Film „Love, Simon“ von 2018 an, verschärft dessen Coming-Out-Plot um eine Klassendimension – bleibt sonst aber den Konventionen des sentimentalen (und allzu seichten) Jugend-Melodrams treu. Klar kann man es als Fortschritt verbuchen, dass jetzt auch im plätschernden Nachmittagsformat ganz selbstverständlich mit Queerness umgegangen wird. Trotzdem wäre da mehr drin gewesen: „Love, Victor“ ist eine warmherzige Highschool-Romanze – aber nicht mehr. (kanu)
>> Noch ein Teenie-Drama: „We Are Who We Are“ will man am liebsten ewig schauen
Ginny & Georgia
Peppiges Mutter-Tochter-Gespann
Zu sehen auf Netflix
„Wir sind wie die Gilmore Girls, nur mit mehr Busen“, ruft Georgia ihrer schmollenden 15-jährigen Tochter zu und wirft sich grinsend auf ihr Bett. Eine freche, peppige Version der „Gilmore Girls“: Das will „Ginny und Georgia“ sein, viele Ähnlichkeiten zeugen davon: Beide Mütter wurden sehr früh schwanger und zogen hübsche, weitgehend brave und belesene Töchter groß. In beiden Serien gibt viele flotte Verweise auf die Popkultur. Und während die Teenager noch recht unbeholfen im Umgang mit Burschen sind, haben ihre Single-Mütter viele Bewunderer. Es gibt sogar in beiden Fällen ein Stammlokal mit schmachtendem Besitzer. Georgia trinkt dort allerdings Wein statt Kaffee. Und frühmorgens schießt sie auch mal auf ein süßes Häschen, das ihre Beete umgräbt. Mit Schalldämpfer. Die attraktive Blondine hat viel kriminelles Potenzial.
Das könnte alles interessant sein, aber ein Highschool-Weltbild mit Beliebtheitsskala dominiert die Serie – und das wird nicht ironisch gebrochen. Es geht sehr viel um die richtigen Pullis, Likes auf Plattformen, Gäste auf Partys: Bühnen, um sich darzustellen. Nebenbei werden Themen wie Rassismus und Selbstverletzung eingeführt, als wolle man den Figuren damit etwas Tiefgang verleihen. (rovi)
>> Mehr über „Ginny & Georgia": Sind das die neuen Gilmore Girls?
Las Cumbres: Das Internat
Spanisches Teenie-Drama
Zu sehen auf Amazon
Ein klösterliches Internat mit Geheimgängen und Kerker, das auf einem felsigen Gipfel thront, dahinter ein mysteriöser Wald: Das Setting ist eindrucksvoll. Die Schüler, mehrheitlich ungeliebt und von ihren Familien verstoßen, sollen dort diszipliniert werden. Dabei hat die Schule einen seltsamen Wertekanon: Die Verwendung eines Handys führt zu schwerer Bestrafung – dass im Wald Mörder ihr Unwesen treiben und der Schularzt medizinische Experimente durchführt, interessiert dagegen kaum wen. Auch nicht den freundlichen Dominikaner Elias, dessen Orden formal die Schule führt und der mit seinem Glauben und, sehr explizit, mit der Keuschheit so seine Probleme hat. Die Neuauflage der spanischen Kultserie „El Internado“ changiert zwischen weltschmerzreichem Teenie-Drama und okkultem Thriller. (rovi)
Soulmates
Die Zukunft der Liebe
Zu sehen auf Amazon
Man stelle sich vor, es gäbe eine gesicherte Methode, um festzustellen, wer wirklich zu einem passt. Wäre die Welt nicht voller glücklicher Paare von Seelenverwandten? Die Hauptfiguren in der Science-Fiction-Serie „Soulmates“ sind alles andere als zufrieden. Die verheiratete zweifache Mutter zweifelt plötzlich an ihrer Ehe: Was, wenn es dort draußen jemanden gibt, der noch besser zu ihr passt – und mit dem es keine Ehekrisen gibt? Diese und ähnliche Fragen handelt die Serie in sechs Folgen ab, in denen je eine andere Figur im Mittelpunkt steht. An das deutlich erkennbare Vorbild, die kluge Anthologie-Serie „Black Mirror“, reicht „Soulmates“ nicht heran. Schlichtes Fazit: Seelenverwandtschaft ist kein Garant für eine glückliche Beziehung. (her)
Das Hausboot
Hipster-Handwerker-Doku
Ab 9. März auf Netflix
In ihren besten Momenten erinnert diese vierteilige Doku an ein nordisches „Hinterholz 8“, in den anderen ist sie immerhin ein authentisches Porträt von Hipster-Männern, die vom Ankommen träumen. Der Hamburger Musiker Olli Schulz und Youtube-Heimwerker Fynn Kliemann haben das schrottreife Hausboot des verstorbenen Schlagerstars Gunter Gabriel gekauft. Die kostspielige Renovierung zum Konzertboot führt den Anpacker Kliemann und Schulz, der sich handwerklich fein raushält („Ich hab rutschige Turnschuhe an!“), an nervliche Grenzen. Zu sehen ab 9. März. (kanu)