Der Goldene Bär wird zwar erst im Sommer überreicht, verliehen wurde er aber schon jetzt: An Radu Judes provokante Satire „Bad Luck Banging or Loony Porn“, die während der Pandemie gedreht wurde.
Was ist das Gegenteil von Glamour? Schwer zu sagen – aber die Preisverleihung der diesjährigen Digitalberlinale war nahe dran. Kein roter Teppich, keine Abendgarderobe, keine Bühnengala. Stattdessen saß Festivalleiter Carlo Chatrian in einem schmucklosen Zimmer und hörte unaufgeregt zu, wie eine per Videokonferenz zugeschaltete Jury die Gewinner verkündete. Und zwar vom wandmontierten Flatscreen aus. Beim Hauptpreis sorgten die Webcam-Juroren für tonlos flappenden Applaus. Nach einer Viertelstunde war der Spaß vorbei. Ein Leichtes, diese „Abschlusszeremonie“ eines Filmevents, das ausschließlich dem Fachpublikum vorbehalten war, als Rohrkrepierer zu verunglimpfen. Doch im Grunde war sie nur den Umständen entsprechend – und auf triste Weise sogar angemessen. Denn sie rückte ausdrücklich ins Bewusstsein, wie schlecht die Begriffe „Online“ und „Festival“ zusammenpassen.
Ob Radu Jude, Urheber des Siegerfilms „Bad Luck Banging or Loony Porn“, angesichts der Preisvergabe schmunzeln musste? Gut möglich: Seinen Sinn für Ironie hat der 43-jährige Rumäne schon vielfach unter Beweis gestellt. Seit einer Dekade arbeitet er sich an den historischen und politischen Widersprüchen seines Heimatlandes ab. Judes Palette ist breit: Wilde Eastern, Avantgardetheaterfilme, Videoessays. Unnachgiebig bohren sie in Wunden rumänischer Gewaltgeschichte. Doch auch das trockenhumorige Alltagsporträt beherrscht der Regisseur aus dem Effeff. „Bad Luck Banging“ wirkt wie eine komprimierte Kulmination seines bisherigen Schaffens. Und obwohl die wütende Satire klar in Rumänien verankert ist, hat sie universellen (und brandaktuellen) Charakter – nicht zuletzt, weil sie während der Pandemie gedreht wurde.