Online-Tagungen

Wissenschaftstreffen werden virtuell

Online-Konferenzen ermöglichen unkomplizierten Austausch und verursachen geringere Kosten, sind aber kein Ersatz für Begegnungen auf realen Kongressen.
Online-Konferenzen ermöglichen unkomplizierten Austausch und verursachen geringere Kosten, sind aber kein Ersatz für Begegnungen auf realen Kongressen.(c) Getty Images (LeoPatrizi)
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Auch wenn virtuelle Konferenzen aus der Not eine Tugend zu machen versuchen, wünschen sich doch alle Veranstalter bald wieder wissenschaftlichen Austausch.

Finanzierung, Raumbuchung, Catering oder Rahmenprogramm sind bei Online-Konferenzen kein Thema. Auch müssen keine Sprecher engagiert werden, deren Anreise ins Geld gehen kann. „Bei Online-Konferenzen fällt vieles an Schwierigkeiten weg, daher konzentriert man sich auf die inhaltlichen Fragen. Man denkt dafür an neue Aspekte, wie Einwilligungen für Video-Aufzeichnungen oder Technik-Checks“, sagt Christiane Wendehorst, stellvertretende Vorständin des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht und Präsidentin des European Law Institute der Uni Wien. Unter ihrer Ägide fand Anfang März die „ID Law 2021“-Tagung statt. Formate wie Online-Konferenzen werden bleiben, sagt Wendehorst: „Es ist zu verlockend, kurzfristig ohne Kosten Menschen aus allen Kontinenten zusammenbringen zu können, um Gedanken auszutauschen und zu diskutieren.“

Neue Themen für Organisation

Aus wissenschaftlicher Sicht gebe es wenig Unterschiede zwischen einer Online- und einer Präsenztagung, sagt Luca Melchior, Leiter der Abteilung Mehrsprachigkeitsforschung am Institut für Kulturanalyse an der Universität Klagenfurt: „Aus rein materiell-organisatorischer Sicht fallen bei einer Onlinetagung viele Aufgaben weg, jedoch kommen andere dazu, wie die Wahl einer geeigneten Plattform, die nicht nur den technischen Anforderungen gewachsen, sondern auch leicht zu bedienen ist und in Sachen Datenverarbeitung und -sicherheit Garantien bietet.“ Ende März findet im virtuellen Klagenfurt die Tagung „Alte und neue Formen der Mehrsprachigkeit in der Alpen-Adria-Region – Beschreibungsmodelle, Herausforderungen und Lösungsansätze“ statt. „Mehrsprachigkeit ist ein Phänomen, das unser aller Alltag kennzeichnet. Der Austausch zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft ist uns daher ein großes Anliegen.“ Deshalb sind interessierte Laien ausdrücklich eingeladen. Darauf muss man reagieren: „Die Diskussionskultur ist online eine andere, Diskussionen müssen anders (ein-)geleitet und angeregt werden.“

Das wissenschaftliche Get-together ermöglichen will auch Sabine Schrader. Sie organisiert an der Uni Innsbruck die Tagung „Cinema delle migrazioni in Italia“, bei der der Zwischenstand des gleichnamigen FWF-Projekts präsentiert und von internationalen Experten kommentiert wird: „Da die Kollegen nicht vor Ort sind, fehlen die großen und kleinen Gespräche am Rande, die einen fachlich und menschlich näher zusammenbringen.“

Sorgen wegen Sparstift

Das Onlineformat könne die Präsenzveranstaltungen nicht ersetzen, da Forschung analoge, zwischenmenschliche Interaktion benötige. „Große Sorge meinerseits ist es, dass die Universitäten in Zukunft an Reisekosten für Tagungen oder Gastvorträge sparen bzw. sparen müssen – so wie sie jetzt schon sparen, indem sie zwar Software zur Verfügung stellen, aber wenig Gelder für die technische Begleitung.“ Man komme zurecht, von einer IT-Expertise sei man aber weit entfernt. Synergien könnten sich ergeben, wenn Onlineformate zusätzlich angeboten würden.

Abgesehen vom persönlichen Austausch standen die Veranstalter der Konferenz für angreifbare Interaktion von und mit Computern im Februar 2021 an der Universität Salzburg vor einer haptischen Herausforderung: „Die Situation war absurd, weil es aufgrund des Onlineformats nichts zum Angreifen gab“, schildert Martin Murer, Hauptverantwortlicher der Konferenz, die seit 15 Jahren stattfindet. Mehr als zwei Jahre habe man geplant, im Herbst 2020 die Entscheidung getroffen, auf Online umzustellen. In Summe wurden mehr als 100 Vorträge 106 Stunden ohne Pause gestreamt, um alle Zeitzonen abzudecken. „Ein Drittel der Teilnehmenden kam aus den USA, eines aus Asien und eines aus Europa.“ Angesichts dieses online kaum lösbaren Problems möchte man den Veranstaltern der Tagung „Corona – eine Katastrophe?“ nur Teilnehmer aus einer Zeitzone wünschen. Sie geht der pandemischen und juristischen Entwicklung von Mai bis Dezember 2020 nach und versucht beides kritisch nachzuzeichnen. Die Teilnahme am 15. März ist kostenlos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2021)

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