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Anna Schneider: Die „brutalliberale“ Marktlücke

Anna Schneider in ihrer Wahlheimat Berlin: „Du wirst ständig ins rechte Eck gestellt.“
Anna Schneider in ihrer Wahlheimat Berlin: „Du wirst ständig ins rechte Eck gestellt.“Die Presse/Jürgen Streihammer
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Die Österreicherin Anna Schneider wechselt als Chefreporterin zur deutschen Tageszeitung „Die Welt“. Schneider ist laut, unerschrocken und mit ihrem Weltbild eher eine Exotin auf Twitter. Auch das macht die 30-Jährige erfolgreich.

Die Journalistin Anna Schneider serviert ihr Weltbild auch gepresst in maximal 280 Zeichen: Sie klagt auf Twitter über „ideologiegetriebene Sprachregeln“, über einen als Antirassismus verkleideten Rassismus gegen Weiße und preist ohne Unterlass den Kapitalismus. „Anna“, habe ihr neulich ein Freund gesagt, „du bist eine Marktlücke.“ Schneider ist jung, weiblich und nach Eigendefinition „brutalliberal“. Damit fällt man auf und mitunter in Ungnade – zumindest auf Twitter. Aber damit steigt man auch auf.

Ab 1. Juni ist Schneiders Heimat die Welt, also die gleichnamige deutsche Tageszeitung. Die 30-Jährige wird dort Chefreporterin. Als klassische Reporterin fiel sie bisher zwar nicht zuallererst auf. Aber sie klärt das auf: Chefreporterin meine, dass sie keinem Ressort unterstellt sei, also viel Beinfreiheit bekomme. Er wolle ihren Kopf kaufen, habe ihr „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt gesagt, also das ganze Paket, hohe Twitter-Reichweite inklusive.

Poschardt lobt Schneider für ihre „streitbare Klarheit“. Sie ist nicht der einzige weibliche und liberale Neuzugang des Axel-Springer-Mediums. Bari Weiss dockt als Kolumnistin an. Sie hatte 2020 mit ihrem Arbeitgeber, der „New York Times“, gebrochen, über eine illiberale Stimmung an Bord des medialen Flaggschiffs geklagt und über einen engstirnigen linken Zeitgeist.

Spaziergang mit Schneider durch das Berliner Szeneviertel Prenzlauer Berg. Wie wurde sie zur „Brutalliberalen“? Ein einzelnes Erweckungserlebnis gab es nicht. „Ich hatte aber immer schon einen starken Freiheitsdrang.“ Das Jus-Studium (in Mindestdauer) habe ihre Grundüberzeugungen geformt, auch die Arbeit als Referentin für Verfassung und Menschenrechte im Neos-Parlamentsklub (2014 bis 2017), die sich zufällig ergeben habe. Sie habe „Mats“ Strolz, damals Parteichef, bei einer Veranstaltung kennengelernt – sie im Publikum, er auf dem Podium.

Heute sind ihr die Neos und ihre deutsche Schwester, die FDP, nicht immer ausreichend „brutalliberal“. Die FDP kuschle allzu sehr mit dem Zeitgeist, befand sie in der „Neuen Zürcher Zeitung“, für deren Deutschland-Ableger Schneider als „Redaktorin“ werkt. Davor war sie Gründungsmitglied von „Addendum“, einem ehemaligen Projekt von Ex-„Presse“-Chefredakteur Michael Fleischhacker.

„Ich bin laut“, sagt Schneider über Schneider. Das gilt auch für ihre Texte. „Wie die Klimabewegung den Kapitalismus abschaffen will“, heißt einer davon, in dem sie ausführt, was in den Büchern zweier führender Köpfe der Bewegung über das Thema zu lesen ist und bisher nur wenige irritierte. Der Text gipfelt in dem Verdikt, hier agierten „wohlstandsverwahrloste Neomarxisten“. Analyse und Meinung verschwimmen. Schneider ist sich nicht mehr sicher, ob der Beitrag als Kommentar gekennzeichnet war. War er nicht. Dass sie nicht immer sauber trennt, sehen Ex-Kollegen kritisch.

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